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Biene schlägt Chemiekonzern

29. März 2018

Das Bienensterben zwischen Alltagserfahrung, Wissenschaft und Lobbyismus

Der Bestand der Bienen, ja der Fluginsekten insgesamt, geht seit Jahren dramatisch zurück. Im vergangenen Oktober belegte eine Studie in der Fachzeitschrift „Plos One“, dass der Bestand an Fluginsekten in Schutzgebieten von 1989 bis 2016 um 76 Prozent gesunken sei. Der Rückgang ist besonders alarmierend, weil nur geschützte Gebiete untersucht wurden. Zuvor hatte der in Krefeld ansässige Entomologische Verein die Diskussion im Dezember 2013 mit einer Mitteilung befeuert. Darin beklagte der Verein einen Rückgang der Biomasse fliegender Insekten im Naturschutzgebiet Orbroicher Bruch von 1989 bis 2013 um 75 Prozent. Es gibt aber auch nichtwissenschaftliche Belege, dass es immer weniger Fluginsekten gibt: Früher klebte nach einer Autofahrt im Sommer mehr Insektenmatsch auf der Windschutzscheibe.

Die Grünenvorsitzende Katrin Göring-Eckardt meinte auf dem Bundesparteitag der Grünen im vergangenen November ganz putzig: „Wir wollen, dass in den nächsten vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“ Weit entfernt davon, diese Aussage putzig zu finden, war der Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerverbands, Manfred Hederer. Für ihn stellt das Statement eher einen Strohhalm dar, an den er sich mangels Alternativen bereitwillig klammert. Denn außer den Grünen, so Hederer, seien die Linken die einzige politische Kraft in Deutschland, die sich ernsthaft mit dem Ab- bzw. Aussterben der Bienen beschäftigen. „Bislang nehmen uns die anderen Parteien nicht ernst“, sagte Hederer in einem Interview mit der Welt. „Wenn 30 oder 40 Prozent der Kühe im Stall tot umfielen, wäre der Teufel los. Aber wenn wir Imker 50 oder gar 100 Prozent unserer Tiere verlieren, wird nur mit den Schultern gezuckt.“

In der Tat sind vor allem CDU/CSU aber auch SPD und FDP eher Fürsprecher der für das Bienensterben als Hauptverursacher ausgemachten agrochemischen Industrie sowie der industrialisierten Landwirtschaft. Ohne politischen Druck bedienen sich Multis wie Bayer, Monsanto und Syngenta und der ihnen nahestehende Deutsche Bauernverband (DBV) aber vorerst der Strategie der Klimawandelskeptiker oder wie einst Asbestbefürworter und Lobbyisten der Tabakindustrie: Relativieren, Anzweifeln und Leugnen. So sieht der DBV „erhebliche Lücken bei der Datengrundlage, die dringend geschlossen werden müsse“, weil ja nur Naturschutzgebiete und keine landwirtschaftlichen Flächen untersucht wurden. Aber der DBV nennt auch den aus seiner Sicht Hauptschuldigen, den Flächenverbrauch. Täglich gingen 66 Hektar Feld, Wiese, Weide und Wald unter Asphalt und Beton verloren. Der Flächenverbrauch ist tatsächlich ein wichtiges Umwelt- und Naturschutzthema. An den Ursachen des Insektensterbens hat er allerdings nur einen kleinen Anteil. Blühstreifen und artenreiche Feldränder, die vom Bauernverband so hoch gelobt werden, sind schön und nutzen tatsächlich der Pflanzenwelt. Sie sind allerdings wegen der Gifte auf den direkt daneben liegenden Äckern sehr Insektenarm.

Doch die Bauern sägen am eigenen Ast: Die Erträge in der Landwirtschaft hängen zu 15 bis 22 Prozent von der Arbeit der Honigbienen ab; weitere Insekten leisten ebenfalls wichtige Bestäubungsarbeit. Überhaupt wird die Wirtschaftskraft der Bienen weltweit auf rund 150 Milliarden Euro beziffert – damit liegt sie deutlich über dem Börsenwert des Bayer-Konzerns (Mitte März 2018: knapp 81 Milliarden Euro), dessen Insektizide und Pestizide als maßgeblicher Mitverursacher des Insektensterbens gelten.

Seit Ende Februar ist es sogar amtlich. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) bestätigte die Gefahr, die von bestimmten Neonicotinoiden für Fluginsekten ausgehen. Die Tiere verlieren die Orientierung, ihre Lern- und Kommunikationsfähigkeit leidet und sie sterben früher, wenn sie mit diesen Insektiziden in Kontakt kommen. Hieraus kann es nur eine Konsequenz geben: Die EU-Agrarsubventionen müssen grundlegend reformiert werden. Sie sollten nur noch an Landwirte fließen, die beispielsweise Flächen brachliegenlassen, Blühstreifen und Feldgehölze anlegen und natürlich auch den Einsatz von Chemie minimieren.


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Bernhard Krebs

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