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Achtung Baby

23. April 2010

Wortwahl 04/10

Von wegen Kinderbücher sind ein Segen. Das Osterfest nähert sich mit Sieben- Meilen-Stiefeln. Mir hingegen graust es jetzt schon wieder vor den faulen Eiern, die auf derlei Familienfeiern den Besitzer wechseln und fortan nicht nur den Kindern, sondern auch den Eltern das Leben zur Hölle machen. Mit Schaudern fällt mir zum Beispiel jene Geschichte vom kleinen Bären ein, die meiner Tochter zum dritten Geburtstag endlich die Furcht vor der Dunkelheit lehrte und seither, Nacht für Nacht, das Stromkonto belastet. Mal ganz davon abgesehen, dass in Anbetracht des hausbackenen Sprachschatzes selbst ein Testosteron geschwängertes Spatzenhirn beim Vorlesen Trübsal geblasen hätte. Leider können Kinderbücher aber auch aus genau den entgegengesetzten Gründen ins Leere führen: „Die Kleine Sensenfrau“ (°Luftschaft, 32s, € 18,50) ist solch ein traurig-schönes Beispiel. So sehr ich mich auch an Michael Stavaričs liebevoll-makabrer Story von Gevatter Tods Tochter, die auszieht, um das Leben zu lernen, und der kongenial-vogelfreien Gestaltung von Dorothee Schwab weide, habe ich doch (noch) nicht den blassesten Schimmer, wann der Zeitpunkt gekommen sein wird, an dem bei meiner Tochter infantile Aufsässigkeit und morbide Reife zu einem anarchistischen Wesen verschmelzen. Entsprechend zögerlich beziehungsweise gar nicht verfahren die Verlage mit den Altersempfehlungen auf den Buchrücken ihrer Publikationen. Umso höher ist die Kunst zu bewerten, die jeweilige Geschichte in einer „zielgruppenadäquaten“ Illustration umzusetzen – gilt es doch stets auch, den pädagogischkünstlerischen Ansprüchen der Eltern gerecht zu werden. Äußerst schmal ist da der Grad, auf dem „Tobi – der kleine grüne Dache“ (Baumhaus, 96s, € 9,99) respektive sein Autor und Zeichner Klaus Baumgart balanciert. Doch allein der reißende Absatz seiner kurzweiligen Humoresken bei meiner Tochter scheint den Erfolg seines plakativen Ein-Satz-Ein-Bild-Doppelseiten-Verfahrens bei Kindern „um die drei“ zu bestätigen. Weit differenzierter sind da „Roter Ted“ (Gerstenberg, 40s, € 9,95) respektive „Das komische Ei“ (Sauerländer, 32s, € 15,90) für eine unwesentlich ältere Leserschaft zu betrachten. So erscheint Michael Rosen & Joel Stewarts in blassen Pastelltönen gehaltenes Storyboard vom Teddy, der sich mit seinem neuen Freund aus dem Fundbüro auf gen Heimat macht, wie geschaffen für die Freunde der neunten Kunst, die ihre Zöglinge schon mal auf die Comics und Graphic Novels des eigenen Bücherregals vorbereiten wollen (und das ist positiv gemeint). Emily Gravetts skurrile Episode vom Erpel, der es den Weibchen anderer Vogelarten gerne gleichtun würde und sich mangels Erfolg beim Eierlegen entscheidet, ein Riesenei auszubrüten, begeistert derweil mit einer tollpatschigen Hartnäckigkeit, die sich auch in den warmherzig-verspielten Tusche-Zeichnungen spiegelt. Dennoch kann auch ich mich nicht immer davon befreien, bei der Wahl der Kinderbücher dem Alter meiner Tochter (weit) vorzugreifen. Allein schon die Tatsache, dass die von Ramon Girona nacherzählten Märchen „Die Hyäne und ihr Lachen“ beziehungsweise „Der Mapuche ohne Schatten“ (beide Pabst & Pesch, 32s, € 14,90) aus „meinen“ Kontinenten stammen, lässt bei mir Sinn und Verstand fahren. So sehr ich die angenehm fernab jeglicher ethnoromantischen Verklärtheit präsentierten Volkswaisen aus Afrika und Südamerika auch liebe, so bedrückend erscheint es mir gleichzeitig, meinem Kind in den nächsten ein, zwei Jahren mit ihrem den Gebrüdern Grimm oder H.C. Andersen gar nicht so unähnlichen psychologischen Hintersinn auf die Pelle zu rücken. Dummerweise entscheidet das aber letzten Endes noch immer meine Tochter, die längst weiß, an welchen Stellen ich vermeintlich nicht altersgerechte Kinderbücher horte.

Lars Albat

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