Der drohende Untergang der Menschheit scheint in Zeiten von Klimawandel und Aufrüstung von Nuklearmächten für viele wieder präsenter in den Lebensalltag gerückt zu sein – und die Frage nach dem Umgang damit. Die einen limitieren ihren Nachrichtenkonsum, die anderen gehen auf die Straße, für wieder andere ist es die Kunst, in der sie Ausdruck finden. Der Kölner Autor Thomas Dahl hat nun einen Lyrikband mit dem passenden Titel „Gedichte für das Ende der Welt“ herausgebracht, der sich mit dieser düsteren Thematik auseinandersetzt: Es geht um das Alleinsein, ein diffuses Selbstgefühl als Dichter und die ständige Präsenz von Tod und Leid. Dafür findet Dahl passende Worte: „Im Anfang war die Angst / Angst ist Gott / Formlos, zeitlos, schmerzlos“ (aus „anleitung zur angst“). Hier ist alles drin, was es für die Beschreibung des Weltendes braucht: Schmerz, Angst – und die Frage nach dem Sinn.
Dahls Talent zum poetischen Ausdruck paart sich hin und wieder auch mit politischen Bezügen, wie in „wir müssen leben“: „Verschwende dich im Fackellauf der Faschisten / Erkenne dich als verstörte Fratze im fahlen Geisterschein“. Manchmal kann Dahl sich den dunklen Gefühlen auch mit einer gewissen Leichtigkeit nähern: „Zahlen töten, träumen, stürzen, trügen nicht / So wünsch ich mir die Null-Null-Null / Kaum zu unterbieten“ („in love with zero“). Verse wie diese entfernen sich nicht vom ernsten Ton, den Dahl sonst anschlägt, besitzen aber eine experimentierfreudige Rhythmik, die fast schon an einen Poetryslam erinnert.
Die Tendenz zur ganz großen Sprache stellt sich teilweise aber auch als Manko von „Gedichte für das Ende der Welt“ heraus. Während es Dahl gelingt, in der Lyrik beliebte Themen und Begriffe (Himmel, Tod, Äther, Zeit) erfolgreich in seinen Ausdruck einer tiefgehenden Melancholie zu verpacken, führt ihre häufige Erwähnung jedoch dazu, einigen der Gedichte eine Pathetik zu verpassen, die wenig Platz für Nuanciertheit lässt.
Doch angesichts des möglichen Endes der Welt kann man sich manchmal auch im Pessimismus verlieren – denn wirkt die Welt aussichtslos, sind „Himmel“, „Schmerz“ und „Tod“ vielleicht das einzig passende Vokabular
Thomas Dahl: Gedichte für das Ende der Welt | Twentysix | 118 Seiten | 14 €
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