Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
5 6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18

12.603 Beiträge zu
3.827 Filmen im Forum

Foto: Bianca Sistermans Lumen

Unterdrückte Wut

28. März 2023

„Salomés Zorn“ von Simone Atangana Bekono – Klartext 04/23

Schnörkellos und konfrontativ ist diese Geschichte, die uns in das aufgewühlte Innenleben einer Schwarzen Teenagerin schleudert. Der niederländischen Autorin Simone Atangana Bekono, die für ihre Gedichte bereits ausgezeichnet wurde, ist mit „Salomés Zorn“ ein in vielfacher Hinsicht bemerkenswertes Romandebüt gelungen.

„Du musst deiner Faust folgen. So, als ob du ein Loch in deinen Feind schlagen willst.“ Diesen Rat ihres Vaters, der als Kameruner in der niederländischen Provinz schon Erfahrungen mit Rassismus machen musste, rekapituliert die sechzehnjährige Salomé. Sie wurde zu sechs Monaten in einer Jugendstrafanstalt verdonnert, nachdem sie diesen offenbar recht wörtlich genommen hat. Hier hockt sie nun. Gemeinsam mit anderen Problemjugendlichen. Und hat sehr viel Zeit, um sich mit dieser großen Wut zu befassen, die ihr Handeln immer stärker bestimmt. Nicht gerade einfach. Vor allem, wenn der Therapeut, der ihr hierfür zur Seite gestellt wird, ein selbstgefälliger Typ aus der fremdenfeindlichen Trash-TV-Show „Hello Jungle“ ist und zugleich selbsternannter Afrika-Experte – ein Mansplainer, wie er im Buche steht.

Zwischen den quälenden Therapiesitzungen und dem zermürbenden Haft-Alltag reflektiert die Ich-Erzählerin die komplexen Verwicklungen, die sie in diese Sackgasse führten: etwa ihr Großwerden mit Migrationshintergrund in der Niederlande sowie die damit einhergehenden Schikanen. Salomé geht bei ihrer Suche nach dem auslösenden Ereignis, das diese Aggression in ihr schürte, nicht zimperlich vor. Weder gegen andere noch gegen sich selbst. Nach außen hin ist sie wortkarg, mürrisch und unnahbar. Doch man darf teilhaben an ihrem Gedankenreichtum, ihren abgeklärten und klugen Beobachtungen.

Bekono öffnet mit einer plastischen, punktgenauen Sprache die Augen für das Anderssein in einer weiß-geprägten Welt. „Salomés Zorn“ ist ein aufmüpfiger Roman, der auf kraftvolle Weise bittere Wahrheiten sowie Machtstrukturen offenlegt und hinterfragt und der spüren lässt, wie tief Rassismus und beschnittene Selbstbestimmung die menschliche Seele schürfen.

Simone Atangana Bekono: Salomés Zorn | C. H. Beck Verlag | 246 Seiten | 24€

Nathanael Brohammer

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Last Breath

Lesen Sie dazu auch:

Autor, Poet, Literaturfreund
Buchvorstellung in Köln

Annäherung an eine Mörderin
Prune Antoine liest in Bonn

Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25

Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25

Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25

Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25

Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25

Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25

Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25

Internationales ABC
„A wie Biene“ von Ellen Heck – Vorlesung 02/25

Zwei Freunde
„Am Ende der Welt“ von Anna Desnitskaya – Vorlesung 02/25

„Afrika ist mehr als Hunger und Krieg“
Autor und Influencer Stève Hiobi über sein Buch „All about Africa“ – Interview 02/25

Literatur.

HINWEIS