Alle Menschen wollen glücklich werden. Nur das Rezept, wie man das am besten bewerkstelligt, ist seit Menschengedenken strittig. Im Sprichwort heißt es zwar: „Geld macht nicht glücklich“, aber so richtig glauben tut das keiner. Als diese Zeilen hier entstanden, war der Eurojackpot mit über 51 Millionen Euro gefüllt. Menschen, die Lotto sonst als „Dummensteuer“ verspotteten, machten ihre Kreuze und sagten augenzwinkernd: „Ich steig halt erst bei 50 Millionen ein“, vergaßen aber geflissentlich zu ergänzen: „Dummensteuer zu zahlen“.
Dabei ist empirisch nachgewiesen, dass Menschen mit mehr Geld glücklicher sind. Je höher das Einkommen, desto mehr materielle Bedürfnisse können erfüllt werden. Zusätzlich können sie sich über einen höheren gesellschaftlichen Status glücklich schätzen. Der positive Zusammenhang von Einkommen und subjektivem Glücksempfinden hat das Sozioökonomische Panel in einer Untersuchung über die Jahre 1985 bis 2003 herausgearbeitet: Das Haushaltseinkommen korreliert positiv mit der geäußerten Lebenszufriedenheit. Auf einer Glücksskala von 1 bis 10 steigert sich das Glücksempfinden bei der Verdopplung des Einkommens um 0,55 Punkte.
Das Problem ist nur: Zusätzliches Einkommen und Vermögen steigern die Lebenszufriedenheit nicht unbegrenzt; die Beziehung zwischen Einkommen und Glück ist nicht linear. Über Einkommen definiertes Glück unterliegt, wie alles in der Ökonomie, einem abnehmenden Grenznutzen. Wie beim Hamburgeressen. Steigert der erste noch die Zufriedenheit und stillt den Hunger, hat der fünfte diese Effekte nicht mehr. Beim Einkommen ist es dasselbe. Der berühmte amerikanische Tellerwäscher, auf den sich das bürgerliche Glücksversprechen der USA stützt, wird sich über seine erste Million ganz gewiss sehr freuen. Steigert er dann aber sein Einkommen um weitere 1000 Dollar, so tragen die zu keiner signifikanten Steigerung des persönlichen Glücks bei. Der Grenznutzen schlägt zu und vermiest einem eine weitere gesteigerte Zufriedenheit. Das liegt aber daran, dass der Tellerwäscher eben kein Tellerwäscher mehr ist, sondern sich zum Millionär gemausert hat.
Völlig ad absurdum geführt wird das Verhältnis zischen Geld und Glück, wenn man sich das Easterlin-Paradoxon anschaut. Der amerikanische Ökonom Richard Easterlin bewies in den 1970er Jahren, dass mehr Geld zwar glücklicher macht, aber nur innerhalb einer Gesellschaft: Wer mehr hat als sein Nachbar, der neigt dazu, zufriedener zu sein. Vergleicht man aber das Pro-Kopf-Nationaleinkommen und das in Umfragen angegebene Lebensglück über Landesgrenzen hinweg, sei da kaum ein Effekt zu erkennen. Reicheren Völkern gehe es nicht besser als ärmeren, lautet das überraschende Ergebnis von Easterlins Studien. Er hatte die Bevölkerungen Japans und der USA betrachtete. Zwei Nationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg wirtschaftlich unheimlich erfolgreich waren und deren Bürger mit der Zeit immer reicher wurden. Nur glücklicher wurden sie keinesfalls. Die Schlussfolgerung Easterlins: Wachstum ist keine Lösung. Wer glückliche Bürger will, der sollte sich nicht auf das Bruttoinlandsprodukt versteifen, sondern lieber auf Faktoren, die den Bürgern Zufriedenheit schenken.
So interessant die Ergebnisse dieser wirtschaftswissenschaftlichen Studien auch sein mögen, irgendwie bleibt der Eindruck, dass sie die Frage nach dem Glück zwar differenzieren, aber lange nicht beantworten können. Die australische Krankenschwester Bronnie Ware stellt die Frage nach dem Glück nicht aus wissenschaftlicher Perspektive, sondern aus der der Lebenserfahrung. Den ersten Merksatz in ihrem Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ diktierte eine sterbenskranke Frau in Wares Notizbuch: Man solle sich treu bleiben, statt zu leben, wie andere es erwarten. Das ist eine Binse und doch machen noch heute viele Abiturienten eine Banklehre, statt die Schauspielschule zu besuchen, oder studieren BWL statt Philosophie, weil Eltern, Onkel, Tante und Großeltern das für vernünftiger halten. Nur kommt es dann meistens anders als man denkt. Plötzlich verhagelt dem Banker die Finanzkrise die Karriere und der Betriebswirt muss feststellen, dass ihm ein Überangebot an Kaufleuten gegenüber steht. Zum ungeliebten Beruf gesellt sich Misserfolg. Vielleicht ist es gerade ein Zeichen der Reife, in der heutigen Achterbahnwirtschaft auf die eigenen Interessen zu setzen, statt das vermeintlich sichere Los zu ziehen, das sich allzu oft als Niete erweist. Beruhigend ist an dieser Erkenntnis, dass man sein Glück – auch wenn das jetzt arg bürgerlich klingt – ein gutes Stück weit in den eigenen Händen hat. Man muss sich wahrscheinlich nur trauen, damit auch was anzufangen. Wie heißt es noch gleich? Das Glück ist mit den Tüchtigen – na dann, Glück auf!
Aktiv im Thema:
www.gluecksoekonomie.net
www.ministeriumfuerglueck.de
www.worlddatabaseofhappiness.eur.nl
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