„Beethovens Hammerklaviersonate. Die klingt so, als sei sie nur für ihn komponiert worden. Unnachahmlich: diese konzentrierte Brutalität. Pollini bringt sie auf die Tasten wie kein anderer.“ So schwelgte Tobias Stosiek vom BR Klassik zum Jahresbeginn, da beging der italienische Meisterpianist Maurizio Pollini seinen achtzigsten Geburtstag. Seit er 1960 als erster Italiener den Warschauer Chopin-Wettbewerb, einen der bedeutendsten und seit bald einem Jahrhundert im 5-Jahres-Turnus ausgetragenen Preise für Chopin-Virtuosen, für sich entscheiden konnte, wird sein Name mit Ehrfurcht ausgesprochen. Die Legende Artur Rubinstein, damals Jury-Mitglied in Polen, soll im Kreise der pianistischen Großmeister ihrer Zeit gesagt haben: „Dieser Junge spielt technisch besser als jeder von uns!“
In Köln durften die Konzertbesucher vor einigen Jahren eine außermusikalische Tragödie beobachten. Als der Umblättergehilfe, wie gewohnt dezent neben der Klavierbank platziert, seine gespitzten Finger zwei Takte vor unbedingter Notwendigkeit gen Noten bewegte, fuhr Pollini mehr als unwirsch mit der Hand dagegen, als gälte es, den Leibhaftigen persönlich vom Zugriff auf das fragile Klanggebilde abzuwehren. Als der absolut ungerührt wirkende, aber wohl doch aufgewühlte gemaßregelte Assistent wenig später zwei Seiten gleichzeitig umschlug, pochten die Herzen aller Zuschauer bis zum Halse. „Res severa verum gaudium“ – dieser Spruch ziert den Saal des Gewandhauses in Leipzig: „Wahre Freude ist eine ernste Sache.“ Pollini hätte ihn erfinden müssen, wäre Seneca der Jüngere ihm nicht zuvorgekommen.
Dafür haut auch der gebürtige Mailänder erdige Sätze heraus, so auch in einem Interview mit der FAZ, auf die Frage nach seinen Vorlieben bei Beethoven-Sonaten: „Die späten. Und zwar lebenslang.“ Sein Forscher- und Entdeckerdrang in Bezug auf zeitgenössische Musik finden in diesen Werken ihre Wurzeln, und sie gehören seit Jahrzehnten zu den ständigen Begleitern des Pianisten. Das sind beste Voraussetzungen, auch für die Weltgemeinde seiner Fans. Wer ihn jetzt in Köln verpasst, kann den Maestro im Sommer in Salzburg besuchen. Oder das Filmportrait von Bruno Monsaingeon studieren. Titel: „Von Meisterhand“.
Maurizio Pollini: Beethoven | Di 12.4. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mit Micky Maus am Dirigierpult
Elim Chan und das Antwerp Symphony Orchestra in Dortmund – Klassik an der Ruhr 12/23
Mode und Stil
Tage Alter Musik 2023 in Herne – Klassik an der Ruhr 11/23
Dreimal Tusch für Ohnesorg
Der Intendant des Klavierfestivals feiert seinen Abschied – Klassik an der Ruhr 10/23
Aus dem Mekka der Saitenkunst
Die Kronberg Academy im DLF-Kammermusiksaal – Klassik am Rhein 10/23
Ravel-Marathon
Klaus Mäkelä dirigiert im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 09/23
Tod und Auferstehung
„Auferstehungssinfonie“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 09/23
Sagen, Mythen und Legenden
Fel!x-Festival in Köln – Klassik am Rhein 08/23
Monumentales Werk
„Das große Abend- und Morgenlob“ in Dortmund – Klassik an der Ruhr 08/23
Music to go
Eine Operntruppe reist als „Fahrendes Volk“ durchs Land – Klassik an der Ruhr 07/23
Zu den Schumanns nach Bonn
Sommerveranstaltungen des 24. Schumannfests – Klassik am Rhein 07/23
Ruf nach neuer Musik
Ungewöhnliche Soloinstrumente in Duisburg – Klassik an der Ruhr 06/23
Akustische Wunderkammern
Romanischer Sommer in Kölner Kirchen – Klassik am Rhein 06/23
Musik aus drei Jahrhunderten
Quatuor Modigliani in der Philharmonie Köln – Klassik am Rhein 11/23