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Foto: © baumusik

„Irritation ist das beste Programm“

29. Dezember 2019

Das Kölner Label baumusik – Interview 01/20

DJ Monibi und Produzent Antonio D. Luca sind Teil von baumusik. Letzten Sommer feierte das Musiklabel sein dreijähriges Bestehen. Im Interview erzählen die beiden von den Anfängen in der Baustelle Kalk, ihrem diversen Sound und darüber, warum man heute noch Musiklabels braucht.

choices: Entstanden ist euer Label ja im Dunstkreis der Baustelle Kalk, die es heute nicht mehr gibt. Was für eine Bedeutung hatte dieser Ort für euch?

Antonio: Zum einen sind in der Baustelle viele von uns großgeworden. Dort konnten wir uns ohne viel Druck ausprobieren und Konzerte spielen. Es war wirklich ein einmaliger Ort für Köln, der Raum für Experimente schaffte. Zum anderen war da die Frage, wie es weitergeht, als klar war, dass sich die Baustelle nicht mehr lange halten konnte. So ist die Idee von baumusik entstanden.

Warum konnte sich die Baustelle nicht mehr halten?

Antonio: Irgendwann waren allerseits die Kapazitäten einfach nicht mehr da und das Gebäude wurde verkauft. Da ist jetzt eine Bäckerei drin, glaube ich. Es ist jetzt also nicht so, als hätte man das an McDonalds verkauft. (lacht)

Wozu braucht es in Zeiten des Internets überhaupt noch ein Musiklabel?

Monibi: Ein Label bietet eine gewisse Plattform. Bei einem großen Musiklabel weißt du: Ich werde automatisch von tausenden Leuten gehört. Davon kann man als Künstler schon profitieren. Allein dauert das einfach viel länger.

Antonio: Ich finde, man braucht kein Label. Was man aber braucht, gerade als Künstler, ist der Austausch mit anderen Menschen. Und generell ist es immer wohltuend und produktiv, wenn Menschen sich zusammenschließen. Ich kann das jedenfalls nur unterstützen und sagen: Kreiert eigene Label, eigene Kollektive und Vereine!


Antonio D. Luca, Foto: Caroline Kox

Die musikalische Ausrichtung von baumusik zu beschreiben, ist nicht einfach. Das wird vor allem auf eurer Label-Compilation KEDI deutlich. Von Techno über Synthie-Pop bis Punk ist alles dabei. Wie würdet ihr euren Sound beschreiben?

Monibi: Mein Eindruck ist, dass die KünstlerInnen hier ihre Musik nicht dazu machen, um möglichst viel zu verkaufen. Dadurch entsteht hier ein sehr kompromissloser Sound. Außerdem ist bei jedem von uns eine gewisse Experimentierfreudigkeit zu spüren.

(Aus der Musikanlage ertönt in diesem Moment „Baustelle Zahnfleisch“ von Cindy Moped _ the lark.)

Monibi: Ja, sowas zum Beispiel! (lacht)


Monibi, Foto: Mathias Schmitt

Antonio: Wobei Experimente in der Musik auch eine Falle sein können. Wir wollen jetzt nicht wie ein Chemiker nach wissenschaftlichen Maßstäben irgendwelche Experimente durchführen. Bei uns entsteht das Experimentelle eher durch die Verschiedenheit der Leute hier und dem Austausch untereinander. Dann kommt zum Beispiel so etwas wie das Zahnmusik Tape dabei heraus, was für alle Beteiligten ein großes Rätsel ist. (lacht) Da ist natürlich ein gewisser Humor dabei. Den habe ich für meine eigene Arbeit zwar nicht, stehe aber voll drauf! Als wir uns gegründet haben, hätten wir uns entweder für eine Musikrichtung oder für ein Gefühl, dass uns alle eint, entscheiden können. Wir haben uns für das Gefühl entschieden. Und das Gefühl hat ganz viel mit der Baustelle zu tun. Es ist ein sehr dreckiges, krachiges Gefühl. (lacht)

Monibi: Genau. Ich mag den Kontrast einfach sehr gerne. Unsere Sachen sind ja schon etwas ernster. Das schlägt sich auch in unserem Impetus nieder, den wir dabei an den Tag legen. Und dann kommt die nächste um die Ecke und macht ein Album über Zahnärzte. (lacht)

Antonio: Das hat man auch gesehen, als wir die KEDI vorgestellt haben. Die Idee war, dass wir einen Abend mit Konzerten und DJs veranstalten. Wir wollten aber unbedingt noch ein Element dabeihaben, das total irritierend ist. Und dann sind wir auf eine Idee gekommen: Bei so einem Abend gibt es immer diesen komischen Moment, wo der Wechsel zwischen den Acts auf der Bühne stattfindet. Da wird dann entweder geklatscht oder Nebel ins Publikum geschossen. Stattdessen gab es in diesen Pausen dann Kabarett-Einlagen von Janina und Jeandado.

Kabarett-Einlagen?

Monibi: Stell dir zwei ModeratorInnen vor: Mit Kostümen angekleidet, die zwischen den Sets Tanzeinlagen aufführen.

Antonio: Am Anfang des Abends hat Janina außerdem noch vier Kinder am Gelände der Niehler Freiheit kennen gelernt und die dann mit in die Choreografie eingebunden. Die sind dann also zwischendurch tanzend mit auf die Bühne gekommen und haben „baumusik ist super!“ gesungen. (lacht)

Gibt es auch eine politische Note in eurer Arbeit als Label?

Monibi: Das ist für jeden von uns unterschiedlich. Aber ich glaube, als KünstlerIn bist du sofort politisch positioniert. Für mich als Frau zum Beispiel, auch mit den Berufen, denen ich nachgehe, ist das sofort auch eine politische Aussage. Einfach nur dadurch, dass ich hier bin und das tue, was ich tue. Daneben setze ich mich auch in meiner Musik mit Politik auseinander. Auf meiner letzten EP gibt es einen Techno-Track, der in gewisser Weise als Reaktion auf Rechtsruck und Populismus entstanden ist. Das sind schon Themen, die mich beschäftigen und dadurch automatisch in meine Musik einfließen. Ob der Track dadurch eine dezidiert politische Message hat, weiß ich aber nicht. Für mich ist Kunst jedenfalls immer politisch. Schon die Möglichkeit aufzutreten ist politisch. Kriege ich eine Förderung? Und wenn ja, von wem? Wie positioniere ich mich da?

Antonio: Und was passiert, wenn in nächster Zeit immer mehr von den Rechten in den Gremien sitzen? Das wird ja leider voraussichtlich auf uns zukommen. Dann wird man nicht mehr an der AfD vorbeikommen. Wie verhält man sich dann dazu? Will man von so jemandem Geld? Sich nicht damit zu beschäftigen ist heutzutage nicht möglich. Anderseits sitzt man als KünstlerIn da schon auf einem hohen Ross. Es gibt da draußen vielmehr Leute, die den Kampf alltäglich kämpfen. Wir als Label waren aber zum Beispiel stark beim Kampf um den Ebertplatz involviert. Als die Stadt und der Express dort alles zumauern wollten, haben wir den Hashtag #unserebertplatz mitinitiiert. Es brauchte eine Sichtweise, die zeigt, dass dort auch eine ganze Menge Leben und Kultur stattfindet. Diese Sichtweise wurde dann auch irgendwann von der Stadt und dem Express akzeptiert. Das war schon geil, weil wir gesehen haben, dass wir dieses Spiel mitspielen können und dabei ein wichtiger Akteur sein können. Das hat dann aber nicht unbedingt was mit unserer Musik zu tun. Da sind dann andere Dinge gefragt.

Mittlerweile gibt es euch über drei Jahre. Was hat sich in dieser Zeit geändert?

Monibi: Also vor allem sind neue Leute dazu gekommen; ich zum Beispiel. (lacht)

Antonio: Was sich ganz stark geändert hat, ist das Denken hin zum Gemeinschaftlichen. Mittlerweile ist allen klar, dass das Label nicht nur eine Promo-Plattform ist, sondern ein gemeinsamer Hefekuchen, der organisch wächst. Das war aber ein langer Prozess. Weil Musik ja auch immer etwas mit Ellbogen zu tun hat. Man steht auf einer Bühne und will die Scheinwerfer. Es ist also erstmal nicht normal, jemand anderem zu helfen und etwas von dem Licht abzugeben. Aber wir haben gelernt, dass das viel größer sein kann, diese Mischung aus ernsten, dadaistischen und unterhaltenden Projekten. Irritation ist das beste Programm. Sodass man vielleicht in zehn Jahren sagt: Wenn ich die Geschichte der Kölner Musikszene in den späten zehner Jahren betrachten will, dann komme ich nicht an baumusik vorbei.

Also nicht nur Musiklabel, sondern auch Verein?

Monibi: Genau. Wir haben hier schon eine ausgeprägte Vereinsstruktur aufgebaut. Alles läuft basisdemokratisch ab. Deswegen ist uns bei neuen Mitgliedern auch nicht nur die Musik wichtig, sondern auch, dass sie mitorganisieren und engagiert sind.

Antonio: Es gibt ja leider unter KünstlerInnen Leute, die nicht mal ihre Post aufmachen können. (lacht) Das ist alles schön und gut aber wir brauchen Menschen mit Aktionspotenzial.

Welche Projekte stehen im neuen Jahr bei euch an?

Antonio: Ich habe das Gefühl, dass bei uns grad jeder Act an einem Next-Level-Release arbeitet. Angefangen mit Monibis EP passiert gerade ein qualitativer Sprung. Es ist auf jeden Fall eine spannende Phase.

Monibi: Jeandado arbeitet grade an einem eigenen Aufnahmestudio. Dann gibt es bei baumusik endlich jemanden mit einem echten Tonstudio!

Interview: Florian Holler

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