Dass die Deutschen in Sachen Nachwuchs ein bisschen lenden- und beckensteif sind, ist kein Geheimnis. Die Geburtenrate wird verlässlich jedes Jahr statistisch dokumentiert und hält sich demnach einigermaßen konstant bei etwa 1,2. Und wäre Kinderfreundlichkeit pisamäßig messbar, bewegte sich das Land wahrscheinlich ebenfalls im Downunder-Bereich. Kein Wunder also, dass Theater für die Allerkleinsten hierzulande Raritätenstatus besitzt, während es in Skandinavien oder Frankreich zum Alltag gehört.
Mit den Allerkleinsten sind dabei die Stöpsel in der Pampersphase gemeint, also die 0- bis 2-Jährigen. Köln, wo der Horizont bekanntlich etwas enger ist als anderswo, hat dabei besonderen Nachholbedarf. Während in Düsseldorf das tanzhaus nrw seit einigen Jahren mit Tanzstücken für diese Altersgruppe experimentiert, beginnt in der Domstadt die Theaterreife in der Regel ab 2. Das musste auch Regisseurin Andrea Bleikamp erfahren, als sie mit ihrem Sohn im Krabbelalter zwei Mal aus Vorstellungen in einem renommierten Kindertheater hinauskomplementiert wurde. Wenn es um Theater für Kinder geht, gibt es eben keine zwei Meinungen.
Also gründete Andrea Bleikamp ihre „BabyBühne“, die sich an Kinder ab vier Monaten richtet. Und wie das in Köln so ist, erntete die Regisseurin zuerst einmal Skepsis, vor allem von Kollegen und Geldgebern, die dahinter eine Krabbelgruppe vermuteten. Ein weiteres „Vorurteil“ kam von Seite der Eltern, die gerne einen „pädagogisch wertvoll“-Stempel auf dem Projekt sähen. Doch die Babybühne setzt weder auf „Kinderbespaßung“, noch auf frühkindliche Bildung, sondern auf ein ästhetisches Erlebnis für die Kleinen in einem Theater. „Wir wollen sinnliche Anreize im Raum schaffen“ sagt Andrea Bleikamp. Und so arbeitet sie mit den beiden Schauspielerinnen Marion Bihler-Kerluku und Mona Mucke vor allem mit Bewegung, Geräuschen, Licht und haptischen Reizen wie Anfassen und Berühren. Da fliegen schon mal Federn durch die Luft, eine Raupe windet sich über den Boden oder eine Blume blüht plötzlich auf. Dafür braucht es auch weder einen gesprochenen Text, noch eine Geschichte, die sowieso eher die Erwachsenen erwarten würden. Was es allenfalls braucht, ist ein Thema. „Wir haben als Aufhänger die vier Jahreszeiten gewählt“, sagt Andrea Bleikamp. Und da bekanntlich die schönsten Blumen sowieso in den Kunstgärten wachsen, setzt die Babybühne bei ihrer ersten Produktion ganz auf elektronische Musik. Kinder reagierten erst einmal auf den Klangreiz, sagt Andrea Bleikamp. Ihnen sei egal, ob es sich dabei um Mozart, Karnevals- oder elektronische Musik handelt.
Und noch etwas ist neu an der BabyBühne. Da das Projekt sehr kurzfristig geboren wurde, mussten Andrea Bleikamp und ihr wehrli theater neue Wege der Finanzierung gehen. Natürlich geben das Freie Werkstatt Theater als Spielort und die Rheinenergiestiftung aus ihrem Feuerwehrtopf etwas dazu, doch der Hauptanteil soll über die Crowdfunding-Plattform startnext kommen. Der Start ins Leben ist eben voller Neuigkeiten.
„BabyBühne“ I Sa 6.10. (P), 16 Uhr, 8., 24.10., 11 Uhr I Freies Werkstatt Theater I 0221 32 78 17 I startnext.de
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