Nach einem knappen Jahr intensiver Arbeit im Aufnahmestudio sind vier Songs entstanden, die einen Bogen zwischen melancholischer Pop-Musik und klangvollem Orchester spannen. Wer Lingby schon live erlebt hat, kann nur staunen über die Vielfalt an Instrumenten, die die Truppe auf der Bühne vereint: neben Gitarren, Schlagzeug und Keyboard ergänzen Posaune, Waldhorn, Trompete und eine Gewittertrommel das Aufgebot.
Lingby: das sind die Schwestern Carmen und Judith Heß an Klavier, Posaune und Waldhorn, Willi Dück an der Gitarre, Dennis Juengel an Schlagzeug und Trompete und Maik Vleuring am Bass. Alle fünf spielen schon mehr als die Hälfte ihres Lebens Musik; Willi war unter anderem in Europa, Chile und Brasilien auf Tour, Carmen und Judith haben an der Hochschule für Musik und Tanz Köln studiert. Lingby wurde 2005 von Willi und Judith gegründet, nach und nach erweiterte sich die Mannschaft, seit einem knappen Jahr sind die fünf die komplette Besetzung. Mit ihrem Debütalbum „Count the stars“ waren die Kölner in ganz Deutschland, den Niederlanden, Skandinavien und Polen erfolgreich auf Tour. Am Freitag, den 5.10. beginnt die EP-Tour durch 16 deutsche Städte, gemeinsam mit der befreundeten Band wefixedthecatapult aus Bremen.
Lingby gelingen zauberhafte Kompositionen, melancholisch und absolut ohrwurmtauglich: klare Songstrukturen, die sich von leisen Tönen hinzu orchestralem Gewitter ausweiten, um dann wieder in kleine, feine Soundgefüge zurückzufinden. Unverwechselbar sind die Stimmen von Judith und Carmen, die ganz zart den Lead Vocal von Willi ergänzen. Wer sie nicht kennt, würde keine deutsche Indie-Pop-Band dahinter vermuten, sondern eher an eine skandinavische oder niederländische Band denken.
Die vier schwermütigen Songs der EP erzählen vom Gefangensein, von verlorener Heimat, verlorener Liebe, vom Weg der Suche, die noch nicht gefunden hat. Wer genau hinhört, bemerkt in den traurigen Melodien die Fragmente von Zuversicht, die den Hörer hoffnungsvoll und froh stimmen.
Opener der EP ist „Like a stone“ und entstand nach einem Konzert von Willis Soloprojekt in einem polnischen Gefängnis für Schwerverbrecher: der Eindruck, gefangen zu sein und zu bleiben, ohne Kontakt zur Außenwelt.
„I worked for the light“ überlässt dem Hörer, sich ein Bild von der Suche zu machen, um die es geht. Einsamkeit, das Gefühl blind geworden zu sein, festzustecken und nicht weiterzukommen. Die Wehmut von Menschen, die davon berichten, wird einige Hörer sehr bewegen.
Um Gefangenschaft geht es auch in „Bye bye Kirgistan“: Willis Familie stammt aus Russland und machte sich vor über 30 Jahren von Kirgistan über Litauen auf den Weg nach Deutschland. Den Verlust der Heimat, die keine mehr ist, und den Aufbruch ins unbekannte Deutschland schildert der Song, der gleichzeitig Mut macht, über seine Grenze zu springen und seine Furcht hinter sich zu lassen.
Die Single „Marathon“ handelt von dem langen, oft anstrengenden Weg der Liebe, die nicht mehr sein kann. Kaum jemand wird nicht das Gefühl kennen, sich auf halber Strecke eines langen Weges zu befinden mit dem Eindruck, nicht mehr weiterzukönnen. Wenn auch „Marathon“ ein trauriges Liebeslied ist, rührt die Lingby-Version den Hörer nicht zu Tränen wie die Akustik-Version aus Willis Soloprojekt. Es vermittelt das Gefühl, auch mit langen Wegen fertig zu werden.
We die EP vorab hören möchte, kann dies unter lingby.bandcamp.com tun. Den Song "I worked for the light" gibt es zum freien Download.
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