Um die 80.000 Besucher zieht die lit.COLOGNE inzwischen an. Dass ein Mensch aus einem Buch vorliest und andere zuhören – eine Situation also, die im Zeitalter fortschreitender Digitalisierung eher als reizlos apostrophiert wird –, scheint doch noch immer eine solche Faszination auszuüben, dass die Besucher in Massen zum alljährlichen Festival am Rhein strömen. Selbstverständlich braucht es den Hype einer wahren Festivalatmosphäre, und in dieser Hinsicht haben Rainer Osnowski, Edmund Labonté und Werner Köhler ja immer schon verstanden, wohin die Zeichen der Zeit weisen. Dass auch die Kinder dazugehören, war ihnen bereits vor der ersten Auflage klar. Jetzt sind 13 Jahre vergangen und man kann sehen, wie sich die lit.COLOGNE ihren Nachwuchs herangezogen hat. Um 30 Prozent ist das Programm erweitert worden und die Sponsoren drängeln sich, um ihr Geld für die Jüngsten ausgeben zu dürfen.
Zehn Tage lit.COLOGNE – das heißt auch für Tausende Schüler in Köln und Umland, dass Ausflüge zu Lesungen anstehen und neue Autoren kennengelernt werden können. Das Literaturfestival – in diesem Jahr vom 6. bis 16. März – ist zu einem festen Bestandteil der Event-Planung innerhalb der Schulen geworden. Und die 77 Lesungen der lit.kid.COLOGNE warten mit internationalen Stars der Jugendbuchszene auf. So bietet sich Gelegenheit, Meg Rosoff zu lauschen, die ihren neuen Roman „Oh. Mein. Gott.“ vorstellt. Eine skurrile Komödie, entzündet an der Überlegung, was wohl geschehen würde, wenn der Herr im Himmel ein Teenager mit Namen Bob wäre, der sich in die entzückende Lucy verliebt hätte. Ein Roman, der auf großartige Weise Humor mit Realismus verbindet.
Wer dem trüben Frühjahrswetter entkommen will, kann mit dem letzten Roman von Tamara Bach zumindest in der Fantasie ein Lüftchen schnuppern, das sich wie Samt auf der Haut anfühlt. „Was vom Sommer übrig ist“ erzählt in einem wunderbar melancholischen und doch leichten Ton von zwei Mädchen, die auf unterschiedliche Weise in ihren Familien übersehen werden. Die Eltern sind vor allem mit sich selbst beschäftigt. Verzagen hilft aber nicht, und so findet jede in diesem einen unvergesslichen Sommer ihren Weg ins Erwachsenenleben.
Ganz handfest geht es bei Anke M. Leitzgen und Lisa Rienermann zu. Das Motto der beiden lautet „Erforsche deine Welt“, und die Aktionen, mit denen sie unseren Alltag unter die Lupe nehmen, fragen danach, wie unsere Städte aussehen. Wie kann man sie lebenswerter machen und was wünschen sich die Kinder? Manchmal werden ihre Projekte auch einfach zu tollen Kunstwerken. Um die Kunst des Sehens dreht sich Joke van Leeuwens Veranstaltung „Augenblick mal“, in der die Niederländerin erklärt, warum wir etwas sehen, welche Gewohnheiten unser Sehen bestimmen, wie uns Farben beeinflussen und warum uns ein Bild gefällt.
Zu den Stars des diesjährigen Programms zählt auch Yves Grevet. Der ehemalige Lehrer demonstrierte mit seiner „Méto“-Trilogie, dass phantastische Literatur nicht wie Fantasy aussehen muss. Die Geschichte der 64 Jungen, die um ihre Freiheit kämpfen, wirkt wie aus einem bildmächtigen Film aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Das Programm der lit.kid.COLOGNE bietet starke Literatur, die auch Erwachsene zu fesseln vermag, und wer einmal im Kreis der jungen Leser Platz genommen hat, vergisst nicht so schnell, welch begeisternde Stimmung eine Lesung entfalten kann.
Informationen zum Programm unter: www.litCOLOGNE.de
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