Was macht eine kleine rote Plastikkugel, ein Paar olle Wanderschuhe und kleine Schellen am schwarzen Samtband so interessant für das Kölner Stadtmuseum? Es sind Artefakte des Karnevals aus der Nachkriegszeit. Damals war der Krieg gerade vorbei, heute will der religiöse Terrorismus zum Umdenken bei großen Menschenansammlungen zwingen, seinen Pseudo-Glaubenskrieg in die Metropolen tragen. Bei den Jecken klappt das nicht so richtig und deshalb erinnert das Museum mit der Fotoausstellung „Trotzdem Alaaf!“ an die Rosenmontage 1991 und 2017.
Wegen des Golfkrieges fiel der Rosenmontagszug in den frühen 1990ern ganz aus. Das war nicht nur in den Hochburgen wie Köln so, die meisten Städte sagten ihre Kostümumzüge ab. Gerade erst „Deutschland einig Vaterland“ und dann das Gemetzel in der Wüste – die Kölner feierten dennoch. Aus „Make Love not War“ wurde eben „Make Faste-love-nd not War“ ein chaotischer Umzug im Schneetreiben, eiskalt, unorganisiert und dennoch aufrichtig politisch. Die fast 100 Aufnahmen von zwölf FotografInnen und wenige Filme zeigen auch Jahrzehnte nach dem Zweiten Golfkrieg wie man gegen Krieg und für Freiheit gleichzeitig demonstrieren kann – das war vielleicht am Rosenmontag ein rheinisches Phänomen, dennoch ein Statement für das ganze Land. Obwohl – politisch war Karneval zu allen Zeiten, mal mehr, mal weniger, 1991 gab es eben einen Zusammenschluss von Friedensbewegung und Karnevalisten. Das weiß auch Eusebius Wirdeier, Fotograf und Kurator der Ausstellung, der auch Bilder aus den Jahren 1946 bis 1949 in die Ausstellung integriert hat und damit Rosenmontags-Umzüge zu einer Zeit dokumentiert, als die Domstadt noch in Trümmern lag.
Ziemlich aktuell sind die Bilder aus dem vergangenen Jahr, als die Terrorgefahr die Umzüge in Köln doch ziemlich belastete. Sie werden den historischen Aufnahmen gegenübergestellt, wo es zwar ärmlich und kalt war, es aber kaum schwer bewaffnete Polizisten und Straßensperren gab. Fotografen schossen das wilde Treiben wieder unter dem Motto „Trotzdem Alaaf“. Es sollen mehr Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln dort gewesen sein – aber auch mehr Flaschensammler.
„Trotzdem Alaaf!“ | bis 25.3. | Kölner Stadtmuseum | 0221 22 12 23 98
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Stadt am Leben
Raghubir Singh im Museum Ludwig
Blick auf den Körper
Fotografien von Michael Horbach
Sammlung ordnen
Porträt, Landschaft und Botanik in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 06/22
Zeugnisse in Form gießen
„40 Jahre laif“ im Museum für Angewandte Kunst
Die Blässe des Meeres
Marzena Skubatz im Fotoraum Köln – kunst & gut 03/22
Gesammelt und ausgestellt
Porträt, Landschaft und Botanik
Fotografien mit Haltung
Die Fotografen von laif im MAKK
Gott und Nationalsozialismus
Theo Beckers Bilder im NS DOK – Kunstwandel 07/22
Bilder aus der Verbotszone
Fotoausstellung ,,Now you see me Moria’’ – Kunstwandel 06/22
Bunt ist oft nicht unpolitisch
„Farbe ist Programm (Teil 1)“ in der BKH Bonn – Kunstwandel 06/22
(Neue) Dialoge zwischen Mensch und Natur
„Talk to Me – Other Histories of Nature” in der Temporary Gallery – kunst & gut 05/22
Die Enthüllung des Unsichtbaren
Suzie Larkes „Unseen“ im Stadtgarten – kunst & gut 05/22
„Den Menschen muss man sofort helfen“
Flaca spendet Einnahmen von Bild – Interview 05/22
Die ernste Heiterkeit des Tödleins
Harald Naegeli im Dialog mit dem Museum Schnütgen – kunst & gut 05/22
Schnappatmung der Kunst
„Die Welt in der Schwebe“ im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 05/22
Entlang der Silberspur
ADKDW: „Potosí-Prinzip – Archiv“ – kunst & gut 04/22
Aus dem Schatten ins Licht
Ein Abschied, ein Buch und andere Bilder im Käthe Kollwitz Museum – kunst & gut 04/22
Eine Ikone des Feminismus
Simone de Beauvoir-Ausstellung in der BKH Bonn – Kunstwandel 04/22
Geschichten eines Augenblicks
Museum Ludwig zeigt Werkschau „Voiceover“ – kunst & gut 03/22
Reise ins Körpergehäuse
Maria Lassnig im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 03/22
Gelassen anspruchsvolles Sehen und Lesen
Kolumba zeigt „In die Weite – Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland“ – kunst & gut 03/22
Wenn das Zuhause weggebaggert wird
„Heimat – Eine Suche“ im Haus der Geschichte Bonn – Kunstwandel 02/22
Reichtum der Symbole
Ariel Schlesinger in der Kunst-Station Sankt Peter – kunst & gut 02/22