Es ist was faul – nicht im Staate Dänemark, sondern im Körper des Hamlet-Darstellers: Sven (Lars Eidinger) hat Krebs. Am Beginn des Dramas der Filmemacherinnen Stephanie Chuat und Veronique Reymond kommt er gerade aus der Klinik, von der Krankheit gezeichnet, aber noch mit der Erwartung, dass er irgendwann wieder in seiner Paraderolle als Dänenprinz auf der Bühne stehen kann. Lisa (Nina Hoss) hat einst als Bühnenautorin brilliert; mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann, der ein Elite-Internat leitet, und den Kindern in einem kleinen Ort in der Schweiz. Lisa holt Sven zu sich - was zum Stresstest für alle Beteiligten wird.„Schwesterlein“ (Cinenova, Weisshaus) ist ein klassisches Krebsdrama, dessen Blick allerdings über die Krankheit hinausreicht und ein vielschichtiges Bild der Existenzen seiner Figuren entwirft. Jenseits aller platten Sentimentalität gelingt es der sensiblen Inszenierung und den hervorragenden Darstellern, dieses Ringen zur fesselnden emotionalen Tour de force zu machen. Nicht zuletzt Nina Hoss läuft einmal mehr zu Bestform auf: Mit bewundernswerter Präzision arbeitet sie die changierenden, immer mehr der Überforderung zueilenden Gefühlslagen ihrer Figur heraus. Das kluge Drehbuch unterstützt ihre Geschichte mit einem Gespinst an kulturgeschichtlichen Verweisen, das von Shakespeares „Hamlet“ über Brahms' Volkslied „Schwesterlein, Schwesterlein, wann gehn wir nach Haus?“ bis zu „Hänsel und Gretel“ reicht.
Schon als Schülerin engagierte sich Luisa politisch, jetzt studiert sie Jura und will mehr: Über eine alte Freundin gerät sie in eine Gruppe Gleichaltriger, die sich gegen das Erstarken von Rechtsaußen formiert. Schon bald hat Luisa keine Lust mehr auf Kuschelprotest. Der Wandel des Mädchens aus gutem Hause zur Radikalität verläuft recht überstürzt, zugleich liefert das hochaktuelle Drama „Und morgen die ganze Welt“ (Cinenova, Filmpalette, Odeon, Rex am Ring) ein sehr anschauliches Porträt sowohl seiner getriebenen Protagonisten als auch des linken Protests. Letzterer bewegt sich angenehm ambivalent zwischen Engagement und Frust, Machtlosigkeit und Abenteuerdurst. Nachdem sich das Kino zuletzt vor allem mit rechtsradikalen Elementen auseinandergesetzt hat, folgt hier eine gelungene, überfällige Auseinandersetzung mit der linken Szene.
Außerdem neu in den Kinos: D.W. Youngs bibliophile Doku „The Booksellers – Aus Liebe zum Buch“ (OmU im Odeon), Zoe Lister-Jones' Teenie-Horror „Blumhouse’s Der Hexenclub“ (Cinedom, Cineplex, Rex am Ring), Robeert Zemeckis Neuverfilmung von Roald Dahls „Hexen hexen“ (Cinedom, Cineplex, Residenz, Rex am Ring), Oleksandr Klymenkos Animationsabenteuer „Clara und der magische Drache“ (Cinedom, Cineplex, Rex am Ring) und Xavier Giacomettis und Toby Genkels Indianer-Abenteuer „Yakari - Der Kinofilm“ (Cinedom, Cineplex, Rex am Ring).
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