Viele fragen sich, warum ich immer eine Mütze trage. Dabei ist die Antwort doch eigentlich ganz einfach zu erraten: Ich kann mir einfach ohne Mütze nicht merken, wo oben ist.
Ich habe nämlich eine stark ausgeprägte Oben-Unten-Schwäche. Das ist eine Art Weiterentwicklung meiner Rechts-Links-Schwäche, die mein Navigationssystem in den Wahnsinn treibt. Ich biege so häufig entgegen der Weisungen meines Navis falsch ab, dass der Apparat öfter eine Wende fordert als die späte Bevölkerung der DDR. Mit weniger Erfolg. Schön ist es hingegen, wenn ich Beifahrer bin und meine Schwester die Fahrerin, denn sie hat genau dieselbe Schwäche. Wenn ich also nach rechts will, aber „Links!“ sage, dann biegt sie nach rechts ab, weil sie dort links vermutet. Ein entzückender Beleg für die These, dass Minus und Minus Plus ergeben kann.
Ein Freund hat mir mal geraten, dass ein Besuch im Spiegelkabinett vielleicht helfen würde, mein Gehirn wieder richtig rum zu drehen. Das hat auch tatsächlich funktioniert, irgendwie. Im Spiegelkabinett wurde meine Links-Rechts-Schwäche zur Rechts-Links-Schwäche.
Loben und Lunten
Aber viel schlimmer ist meine neue Oben-Unten-Schwäche. Wer das nicht glaubt, hat noch nie versucht, ein Bierglas von unten auf eine Theke zu stellen oder über beiden Ohren Socken getragen.
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr eine Kolumne schreibt und beim Schreiben bemerkt, dass die LeserInnen denken könnten, ihr hättet eine Traube locker? Das ist so ein ähnliches Gefühl wie dasjenige, das sich gelegentlich während des vorschnellen Aussprechens eines Satzes einstellt, den man besser noch mal überdacht hätte. Wer stand noch nie im Tabakladen und sagte Sätze wie: „Mein Luftkissenboot ist voller Aale.“
Aber vielleicht habt ihr einfach, so wie ich, eine Traube-Schraube-Schwäche und habt schon mal Käsehäppchen mit Gewindebolzen garniert oder einen Hängeschrank mit Weinbeeren an der Wand befestigt. Mein Tipp: Benutzt einen Kreuzschlitztraubenzieher!
Frohes neues Ja (Teil 2)
Das ist alles schlimm und verwirrend, aber nichts ist so schlimm wie das Schicksal von meinem alten Klassenkameraden Urs. Der Bursche hatte nicht nur eine grobe Nase, sondern auch eine ausgeprägte Ja-Nein-Schwäche.
Spätestens bei seiner Hochzeit sorgte das für ein gerüttelt Scheffel Komplikationen, und als er dann immer wieder bejahte, als er gefragt wurde, ob er sein „Nein!“ wirklich so gemeint habe, war dann irgendwann auch die Braut weg.
Da trag ich doch lieber eine Mütze, auch wenn ich glaube, dass Urs drüber weg ist. Ich hab’ ihn neulich zufällig nach Jahren beim Einkaufen getroffen und ihn gefragt, ob es ihm gut gehe. Er sagte „Ja!“
Ich dachte einen Moment über die Antwort nach und wollte dann wissen, ob er inzwischen seine Ja-Nein-Schwäche therapiert habe. „Ja!“, sagte er.
Verwirrt gingen wir auseinander, ich nach links, er nach rechts. Vielleicht auch andersrum – siehe unten.
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