Als der 50-jährigen, von ihrem Job frustrierten Philippa Langley nach dem Besuch einer Aufführung von Shakespeares „Richard III.“ plötzlich und von da an regelmäßig jener scheinbar blutrünstige, bucklige König aus dem 15. Jahrhunderts leibhaftig erscheint, will sie nur noch eins: Sie möchte das Grab des nach seinem Tod verschollenen Königs finden und damit auch zugleich beweisen, dass er nicht dem grausigen Bild entspricht, dass die Nachwelt von ihm gezeichnet hat – allen voran Shakespeare. Fast 40 Jahre ist es her, dass sich Stephen Frears mit der Hanif Kureishi-Verfilmung „Mein wunderbarer Waschsalon“ einigen Underdogs widmete und den jungen Daniel Day-Lewis in einer der Hauptrollen zu internationaler Bekanntheit verhalf. Seitdem hat er über 20 Kinofilme, zahlreiche Fernsehfilme und etliche Serien und Mini-Serien inszeniert. Sein neuer Film „The Lost King“ (Cinenova, Odeon, Weisshaus) ist eine spannende Brücke zwischen seinen royalen Filmen wie „The Queen“ (2006) und den Underdogs. Im Zentrum steht die wunderbar von Sally Hawkins („Happy-go-lucky“) verkörperte Philippa, die in einem permanenten Auf und Ab zwischen Schwäche kurz vor dem Zusammenbruch und einer enormen Stärke und Willenskraft agiert. Die braucht sie auch in ihrer vor allem von Männern dominierten Welt, gegen die sie sich erst auf ihrer Arbeitsstelle und dann als Hobby-Historikerin ohne akademische Weihen bei der Suche nach dem Grab von Richard III. wehren muss. Bevor Stephen Frears' Heldin im Boden buddeln darf, begleitet er sie klassisch schwungvoll erzählt und mit vollster Sympathie bei ihrem Kampf nach oben durch die Institutionen. Dem kann man sich als Zuschauer kaum entziehen.
Amoklauf, Attentat, Serienmord? Der Mann vom FBI will bei der Suche nach dem Mörder von 29 Menschen am Silvesterabend nicht die Standards der Profiler hören. Seiner neuen Mitarbeiterin sagt er: „Seien Sie Künstler, nicht Cop.“ Er ahnt, dass Eleanor (Shailene Woodley) die Suche mit Intuition und Intelligenz bereichert. Ben Mendelsohn, oft als Unsympath besetzt, ist erwartbar überzeugend, Woodley aber, die auch produziert hat, mit ihrer Präsenz eine Überraschung. Der argentinische Regisseur Daniel Szifron („Wild Tales“) zeigt ein Amerika von Konkurrenz, Misstrauen, blöder Medien und Alt Right-Männern. Die beiden Hauptfiguren aber denken anders als das übliche Thriller-Personal. Dies und die brillant gedrehten Kinobilder macht „Catch the Killer“ (Cinedom, Cineplex, UCI, OmU im OFF Broadway und Odeon, OV im Odeon) zu einem besonderen und bemerkenswerten Thriller.
Jean (beeindruckend: Rosy McEwen) ist Sportlehrerin an einer kleinen Schule bei Newcastle. Dass sie lesbisch ist, darf niemand wissen, denn unter Margaret Thatchers Regierung wurde gerade die Clause 28 verabschiedet, die das gesellschaftliche Stimmungsbild zu Homosexualität negativ beeinflusst hat. Als sie in einer Lesbenbar eine ihrer minderjährigen Schülerinnen (Lucy Halliday) trifft, kommt es zu weitreichenden Komplikationen. Georgia Oakley hat in ihrem Kinolangfilmdebüt „Blue Jean“ (OmU in der Filmpalette und Bonner Kinemathek) die Atmosphäre in den 1980er Jahren überaus treffend eingefangen. Mit weitgehend unbekannten, aber hervorragend geführten Schauspieler:innen gelingt es der Filmemacherin, mit großer Sensibilität das Seelenleben ihrer Figuren deutlich zu machen.
Außerdem neu in den Kinos: Patric Chihas kluges wie sinnliches Warte-Drama „Das Tier im Dschungel“ (OmU im Filmhaus und in den Lichtspielen Kalk), Jialing Zhangs Überwachungs-Doku „Total Trust“ (OmU in der Filmpalette und im Odeon), Maria Binders Doku „Eren“ (OmU in der Filmpalette), Franz X. Gernstls Glücks-Suche „Gernstls Reisen - Auf der Suche nach irgendwas“, David Gordon Greens neuerliches Spuck-Spektakel „Der Exorzist: Bekenntnis“ (Cinedom, Cineplex, Rex, UCI), Pierre Morels Actioner „Freelance“ (Cinedom, Cineplex, Rex, UCI) und Johannes Honsells Wissens-Tour „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, Metropolis, Odeon, Rex, UCI, Weisshaus, am 6.10. ist Checker Tobi zu Gast im Cinenova).
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