Es mutet an wie ein Märchenstoff: Vor rund 50 Jahren existierten in der europäischen Kulturlandschaft Orchester, die ausschließlich Männer aufnahmen. 1982 erschien die erste Frau bei den Berliner Philharmonikern mit ihrem Geigenkasten, 1997 nahmen die Wiener Philharmoniker eine Harfenistin als Mitglied auf, die allerdings bereits 26 Jahre bei den Wienern gezupft hatte: als Dauergast. In allen deutschen Orchestern saßen 1970 knapp 6 % Frauen. Als Nachhall auf den Internationalen Frauentag im letzten Monat darf diese mickrige Zahl deutlich korrigiert werden. Denn heute beträgt der Frauenanteil in den Orchestern mehr als 40 Prozent, in den Geigengruppen bestimmen die Damen schon lange den Ton. Jetzt hätte es beinahe auch ein Berliner Mädchen über mütterlicherseits betriebene Gerichtsklage in einen Knabenchor geschafft. Das wurde aber aus künstlerischen Gründen noch abgeschmettert. Quoten sind gemeinhin der Kunst nicht förderlich, so die langjährige Argumentation der Traditionsorchester.
Mädels genug beschäftigt jetzt schon seit einem halben Jahrhundert das Landesjugendorchester NRW. Es speist sich bis heute vorwiegend aus den Preisträgern des Landeswettbewerbes „Jugend musiziert“, in dem die hochbegabten jungen Musikerinnen und Musiker ermittelt werden. Wer hier lieber Fußball spielt, muss bei der Kunst leider draußen bleiben. Allein das hebt die Frauenquote auf natürliche Art. Zwischen 14 und 24 Jahre alt sind die Instrumentalisten, die sich zu Probephasen meist in den Schulferien mehrfach jährlich treffen. Für viele Musikanten wird diese Erfahrung weichenstellend für ihr Leben. Denn hier erfahren sie, wie der Alltag eines Berufsmusikers aussehen kann. Und manche Entscheidung zur Berufswahl fällt in diesem lebendigen Klangkörper.
Zum 50. Geburtstag treffen vier ehemalige Hornisten des Ensembles aufeinander, die alle ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und heute in fester Position in verschiedenen deutschen Orchestern von Hamburg bis München spielen. Robert Schumann hat ein Werk für vier Hörner und Orchester komponiert, „Etwas ganz kurioses“, wie er selbst feststellte. Dem Geburtstagskind Beethoven widmet das Geburtstagskind aus NRW dessen berühmte Fünfte. In sechs Konzerten zwischen Zülpich und Paderborn touren die jungen Musiker, und alle sind eingeladen, ausgiebig mitzufeiern – wenn die Konzerte wie geplant stattfinden können.
Festkonzert 30.4. 20 Uhr, Kölner Philharmonie | 3.5. 11 Uhr, Konzerthaus Dortmund | 22.5. 19.30 Uhr, Paderhalle Paderborn | www.50jahreljo.nrw
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