Im ersten Stock der NRW Kunstsammlung herrscht Stille – und Leere. Denn die dreigeteilte Arbeit der schottischen Künstlerin Susan Philipsz ist kaum zu sehen, eigentlich nur zu hören. Manchmal. Ein martialischer Ton erklingt, gepresst aus den tiefsten Tiefen einer zum Zerreißen gespannten Lunge. Fast ist man an die Urtöne tibetischer Ritualhörner erinnert, doch hier handelt es sich um eine europäische Naturtrompete in Es, die aus zwei Boxen tönt und die Gesamtinstallation rahmt, ansonsten finden die Augen in der Beletage nur schlichte Lautsprecher an der Wand. Nicht viel für eine ausgebildete Bildhauerin, doch sie arbeitet an Klangskulpturen im Grenzbereich zwischen Musik und Installation, hatte ihren internationalen Durchbruch auf der documenta 2012 in Kassel, nachdem sie zuvor den angesehenen britischen Turner-Preis erhalten hatte.
Im Zentrum des tönenden Triptychons steht „The Natural History of Destruction“(2013, 12:27 Loop), eine Fünfkanal Toninstallation, die aus Boxen generiert wird und damit Musikinstrumente aus dem Totenreich zurückbringt. Hier klingen noch einmal ein durchschossenes Signalhorn von 1850, oder auch eine Bass-Ophikleide aus demselben Jahrhundert. Allesamt sind sie kostbare Instrumente, die die Künstlerin aus zahllosen Sammlungen zusammengesucht hat, kriegsversehrt, noch unrestauriert und deshalb sehr schwer zu spielen. Wie ihnen dennoch aufwändig ein respektvoller Ton entlockt wird, zeigt ein Video vor dem Eingang in die Ausstellung. Gequälte Töne als Metapher martialischer Zerstörung – die neuen Arbeiten sind noch direkter als die leisen Streicher auf der letzten documenta, die still an die Judentransporte aus Kassel erinnerten. Hans Holbeins Portraitschinken „Die Gesandten“ (1533) lieferte den Titel der Ausstellung von Susan Philipsz in Düsseldorf. Sie entdeckte die gerissene Lautensaite auf dem Bild voller Devotionalien zweier Diplomaten, die sich dort in Pose werfen. Der kaum sichtbare Silberdraht diente auch in Kassel schon als Titelgeber für „Study for Strings“ (2012), eine24-Kanal Sound Installation im Kasseler Hauptbahnhof.
„The Missing String“ in Düsseldorfist eine Auseinandersetzung mit den „Metamorphosen für 23 Solostreicher“ von Richard Strauss, der großen Trauerklage von 1945 mit 23 Solostreichern. Philipsz fragmentierte dieses Stück in zweierlei Hinsicht: Ein Cellospieler musste auf eine Saite verzichten und durfte zusätzlich nur einen bestimmten Ton spielen, immer dann wenn er in der Partitur auftauchte. So entstehen zum Teil lange Pausen, die die eigentliche Trauer nicht nur nervend dehnen, sondern auch ein dissonantes Spiel mit der Unruhe des Zuhörers treiben. Nebenan dröhnte dazu leise die europäische Naturtrompete in Es, damit entsteht auch eine zwischenräumliche Gesamtheit, die vom eigentlichen Weglassen lebt und auf ganz eigene Weise an die Folgen des Zweiten Weltkriegs erinnern will. Der dritte Teil der Arbeit führt nach Berlin, in die Wahlheimat der Schottin, wo bis Anfang Mai noch „Part File Score“ (2014) im riesigen Hamburger Bahnhof zu hören ist und an den jüdischen Komponisten Hanns Eisler erinnert.
Susan Philipsz: „The Missing String“ | Bis 6.4.| K21 Ständehaus, Düsseldorf | 0211 838 12 04
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