Wenn ein Club schon beim Start der Vorband fast aus den Nähten platzt, hat das Booking wohl ein gutes Händchen gehabt: Ready the Prince sind die selbstbewussten Opener der Europatour von Dead Poet Society – und wer wegen der Vollsperrung der A1 bei Leverkusen etwas abgehetzt zunächst die gefliesten Bereiche des Luxor aufsuchen will, sieht sich einer recht soliden Wand aus Rücken gegenüber. Ein Toilettenbereich in hintersten Winkel des Ladens direkt neben der Bühne ist bei ausverkauften Konzerten schon eine Herausforderung. Aber wenn man es schon bis nach vorne geschafft hat, kann man auch gleich neben der Bühne bleiben. Kein frontaler Blick auf die Band, aber der Sound passt. Außerdem sieht man das Geschehen mal aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel. Das Trio aus Ontario, Kanada, hat zwar erst kürzlich sein erstes vollwertiges Album, „Book Of Ōji“, auf den Markt gebracht, doch das Kölner Publikum ist bereits bestens vertraut mit den aktuellen Stücken ebenso wie mit älteren Nummern von den früheren EPs.
In etwas mehr als einer halben Stunde Spielzeit bringen Ready the Prince den Club bis nah an den Siedepunkt. Dead Poet Society müssen eigentlich nicht mehr viel machen, um den Kessel zum Überkochen zu bringen: Als der Hauptact die Bühne betritt, ist der Jubel bereits frenetisch. DPS beginnen mit „Hard to be God“, der zu den eher sperrigen Songs auf Platte zählt. Mit Tempiwechseln und Brüchen in der Songstruktur jagen sie jeglichen Ohrwurmcharakter durch den Häcksler und präsentieren sich von ihrer rhythmisch-aggressiven Seite. Nach diesem Brett kommt dann fast übergangslos das melodische und mitreißende „Running in Circles“ mit absolutem Hit-Potential. Liegt es am teils sehr hohen Gesang Jack Underkoflers, dass der Chor des Publikums von weiblichen Stimmen beherrscht wird? Jedenfalls bekommt man hier bereits einen Eindruck davon, wie es sich anhören könnte, wenn DPS Stadien füllen. Mit radiotauglichen, hymnischen Refrains, Anklängen an Muse und Queens of the Stone Age sowie Black Sabbath-artigen Riffs in Kombination mit Funk und Blues haben sie allemal das Potential dazu. „I hope you hate me“ bietet zu Beginn mehr als nur eine Prise tanzbarer Depeche Mode-Vibes auf, um sich kurz darauf in brachialen Gitarrensounds zu entladen. Den einzigen Moment des Verschnaufens bietet „Tipping Point“, ein Song, dem man vorwerfen könnte, auf Mainstream-Airplay hin geschrieben worden zu sein, um sich zwischen Coldplay und Co. einzunisten. Der überproduzierten Studioversion setzt Underkofler alleine mit Gitarre am Bühnenrand eine aufs Wesentliche reduzierte Version entgegen – dem Song tut‘s gut. Danach geht es Schlag auf Schlag weiter mit überbordender Energie. Schlagzeuger Will Goodroad sorgt für ein treibendes Fundament, Bassist Nick Taylor wirbelt wie ein Derwisch über die Bühne – erstaunlich, dass er und Gitarrist Jack Collings sich auf der kleinen Fläche nicht über den Haufen rennen. Der Titel ihres Longplayers lautet „Fission“, und tatsächlich versprüht das Bühnengeschehen die Energie einer Kernspaltung. Die Zugaben werden eingeläutet mit einer großartigen Coverversion von „Hysteria“. Wie gut sich der Muse-Song in die Setlist fügt, kommentiert Underkofler mit der schelmischen Aussage, ihn überrasche die Textsicherheit des Publikums, wo sie den Song doch noch gar nicht aufgenommen hätten.
Nach nur rund 70 Minuten ist Gig zu Ende – trotzdem haben DPS alles und noch mehr gegeben. Als Underkofler auf Englisch fragt, „Wer ist da, wenn wir wieder nach Deutschland kommen?“, kann man an der Reaktion des Publikums ablesen, dass beim nächsten Mal größere Hallen gebucht werden müssen. Vermutlich war der Abend im Luxor eine der letzten Gelegenheiten, den Musikern so nahe zu kommen und hinterher am Merch noch mit ihnen zu plaudern.
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