Nach sechs langen Jahren gibt es endlich ein neues Album der Reihe „Die geheimnisvollen Städte“ von François Schuiten und Benoît Peeters. „Die Sandkorntheorie“ erzählt im üblichen, am Steampunk angelehnten Stil mit faszinierenden Architekturfantasien von seltsamen Steinen, die in einem Apartment auftauchen, und Sandfontänen, die aus einem weiteren strömen. Am Ende lässt die stimmungsvolle Geschichte eine Lesart zu, die einen vagen Kommentar zum Verhältnis von westlicher Welt und Islam abgibt (Schreiber & Leser).
Das Buch von Raymond Bradbury ist ein Klassiker des Science Fiction, und auch François Truffauts Verfilmung von „Fahrenheit 451“ hat längst Kultstatus. Da muss sich ein Comicautor schon anstrengen, um dem Stoff noch etwas Interessantes abzugewinnen. Tim Hamiltons Zeichnungen könnte man einem avancierten Mainstream zuordnen, der die Story sowohl expressiv als auch actionbetont erzählt. Die düstere Alltagsstimmung fängt er in tristen Tönen ein, während die Flammeninfernos der Bücherverbrennungen in den Zeichnungen ihr aggressives Potential voll entfalten können (Eichborn). In farbiger Ligne Claire erzählen Jean-Michel Beuriot und Philippe Richelle in „Unter dem Hakenkreuz“ von Martin und seiner Liebe zu Katharina. Beide sind Deutsche, aber sie ist Jüdin. In den beiden und zahlreichen Nebenfiguren spiegeln die Autoren die historischen Ereignisse und die vielfältigen Möglichkeiten, sich in diesen Zeiten zu positionieren. Dabei lassen sie viele Zwischentöne zu und beleuchten die gesellschaftlichen Zustände aus allen Blickwinkeln, wechseln auch topografisch zwischen den Ländern. Ganze zehn Bände sind geplant, der dritte ist soeben erschienen (Schreiber & Leser). Bei Carlsen seinerzeit als „Liberty“ veröffentlicht, erscheint „Give me Liberty“ von Frank Miller und Dave Gibbons nun als Panini-Sammelband unter dem Titel „Martha Washington“. Die stark von Watchmen beeinflusste Science Fiction erzählt von der schwarzen weiblichen Heldin, die sich in einer Welt mit saufenden Präsidenten, schwulen Nazis, indianischen Befreiungskämpfern und irren Generälen durchschlagen muss. Zwischen sozialkritischem Anliegen und überdrehtem Actionspektakel sorgt der erste Band „Ein amerikanischer Traum“ für intelligente Unterhaltung. In zwei weiteren Sammelbänden wird Panini die Sequels „Martha Washington zieht in den Krieg“ und „... rettet die Welt“ veröffentlichen (Panini). Von der Wiederveröffentlichung von François Bourgeons Serie „Reisende im Wind“ aus den frühen 80er Jahren ist inzwischen der vierte Band erschienen. Das aktuelle zweibändige Sequel „Das Mädchen vom Bois- Caïman“ ist bereits mit dem zweiten Band abgeschlossen. Interessant ist vor allem, dass Bourgeon seinen eigenen zeitlichen Abstand zur Serie als Autor in die Geschichte einbringt. Denn dort erzählt die inzwischen fast 100jährige Titelheldin aus „Reisende im Wind“, wie ihre Geschichte weiterging (Splitter). Und zum Schluss ein Doppeltermin: Am 8. Mai findet nicht nur die 67. Comic- Messe „Intercomic“ mit Gästen wie Reinhard Kleist in der Mülheimer Halle statt. Es ist auch der Termin des ersten „Gratis Comictag“, ein aus den USA importiertes Event, um die Blicke auf die Comicszene zu lenken. Dann kann man sich nämlich einige der an die 30 extra für diesen Tag produzierten Comicpublikationen gratis in den Läden abholen. In Köln machen Pin Up, Djinn Café & Comic und die Bahnhofsbuchhandlung Ludwig (Reinhard Kleist signiert auch hier von 17-20 Uhr) mit und in Bonn der Bonner Comicladen (www.gratiscomictag.de).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
Aufwändige Abschlüsse
Comics, die spannend Geschichten zu Ende bringen – ComicKultur 02/25
Massenhaft Meisterschaft
Neue Comics von alten Hasen – ComicKultur 01/25
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Ein Quäntchen Zuversicht
Düstere, bedrohliche Welten mit kleinem Hoffnungsschimmer – ComicKultur 09/24
Kunst leben, Kunst töten
(Auto-)Biografische Comics bleiben ein großer Trend – ComicKultur 08/24
Repetitive Einsamkeit
Comics aus der (inneren) Isolation – ComicKultur 07/24
Allzu menschlicher Sternenkrieg
Annäherungen an Philosoph:innen und Filmemacher:innen – ComicKultur 06/24
Von Kant bis in die Unterwelt
Zarte und harte Comicgeschichten – ComicKultur 05/24
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
„Schon immer für alle offen“
Marie Foulis von der Schreibwerkstatt Köln über den Umzug der Lesereihe Mit anderen Worten – Interview 03/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25