Auch in seinem achten Lebensjahrzehnt kennt Hermann Max keinen Ruhestand. Wie zahlreiche Kollegen, die heute selbst schon „historisch“ zu nennen wären, fasziniert ihn die „Historische Aufführungspraxis“ unermüdlich. Nur der Kennerblick auf Komponisten und ihre Werke schärft sich immer mehr. Auf seinem vor 30 Jahren gegründeten Festival Alte Musik Knechtsteden nimmt Max aktuell „Verborgene Wirklichkeiten“ ins Visier. Und seine Rezeptur für analytisches und historisches Musikerleben lautet, angelehnt an sein studiertes Nebenfach Kunstgeschichte, sehr präzise: „Man hört nur, was man weiß!“
Natürlich bleibt die alte Prämonstratenser-Abtei Knechtsteden das Zentrum der Konzerte. Aber bereits im letzten Jahr erfreute sich „Movimento – die musikalische Radtour am Rhein“ großer Beliebtheit und wird wiederholt (So 11.9.). Hier spielt die Düsseldorfer Hofmusik, Schiffshörner grüßen die Radler und im historischen Zons erklingen Psalterion und Harfe; alles bequem abzugrasen mit dem Drahtesel.
In Bewegung bleibt auch das eigentliche Festprogramm, das Max mit seinen eigenen Ensembles Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert ausrichtet. Er gestaltet seine Eröffnung mit Werken der Heroen Bach, Telemann und Lully, interpretiert von erlesenen Stimmen der historisch orientierten Solistenelite. Und für das Schlusskonzert blickt Max aus einem romantischen Blickwinkel auf Alte Musik: So wie Clara Schumann und Johannes Brahms Bachs Werke im Rückblick aufführten, nämlich auf dem Hammerklavier ihrer Zeit, so sitzen diesmal die Geschwister Kiveli und Danae Doerken an historischen Instrumenten als Solisten im Schlusskonzert. Dazu gesellt sich ganz zeitgemäß ein regionales Produkt des in Witzhelden geborenen Komponisten Wilhelm Wilms. Besonders seine Sinfonien haben in den letzten Jahren als Entdeckung für Furore gesorgt. Max inszeniert anlässlich von Wilms‘ 250. Geburtstag „Drie geestelijke liederen“ aus dessen Amsterdamer Zeit in einer neuzeitlichen Erstaufführung.
Begleitet wird das Festival von Werkstattgesprächen und Gesprächskonzerten. So stehen barocke Werke gegenüber zeitgenössischen Auftragskompositionen heutiger Studenten. Und es regiert die Frage: Hat sich in den letzten 250 Jahren der Ansatz zum kreativen Schaffen geändert? Knechtsteden bleibt am Puls der Zeit.
Alte Musik Knechtsteden | 17. - 24.9. | Basilika Knechtsteden | www.knechtsteden.com
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