Das japanische Wort für Herbst heißt „aki“. So nennt sich jetzt ein Schweizer Verlag, dessen Programm strikt weiblich ausgerichtet ist. Einmal im Jahr erscheinen ein halbes Dutzend Titel, deren Herkunft sich aus aktuellen Entdeckungen und Romanen etablierter Autorinnen wie Deborah Levy oder Elizabeth Hardwick speist. Es ist ein besonderes Vergnügen, diese sorgfältig gestalteten Bücher mit ihrer Leinenhaptik in Händen zu halten. Die Gestaltung ihrer Cover und Illustrationen wurde von Künstlerinnen entworfen, die mit verwegenen Visionen zu Werke gehen.
Aus welchen Abenteuern ein Frauenleben mit seinen Gefahren und Lüsten bestehen kann, demonstriert etwa „Strega“, das Debüt der Schwedin Johanne Lykke Holm. Auch mit dem Debütroman „Ein Zuhause schaffen“ der Musikerin und Künstlerin Tice Cin, meldet sich eine eigenwillige literarische Stimme zu Wort. Tice Cin erzählt aus der Welt junger türkischstämmiger Frauen, deren Familien im Norden Londons angesiedelt sind. Der Realismus, mit dem sie die Beziehungen der Geschlechter, die Freundschaften unter den Mädchen oder die Bedeutung der kulinarischen Traditionen in den Familien schildert, verwandelt den Roman in ein packendes Leseerlebnis.
Über die Generationen hinweg eröffnet sich mit jeder Autorin ein anderer Blick auf die weibliche Lebenswelt. Als Herausgeberin der Partizan Review und Gründerin der New York Review of Books bestimmte Elizabeth Hardwick maßgeblich das literarische Leben in den USA. Mit „Schlaflose Nächte“ schrieb sie 1979 ihren bedeutendsten Roman, der noch heute durch seine kluge, erfahrungsgesättigte Beobachtungsgabe und seine lässige Form besticht. Ein Lieblingsbuch von Joan Didion und Susan Sontag. Hardwick erzählt aus der inneren Welt der New Yorker Intellektuellen mit ihren Ambitionen und Lebenslügen. Der Roman besteht aus kleinen Porträts von Männern und Frauen. Wie eine Malerin vergisst Hardwick nie die Augen der Menschen zu beschreiben, die verstrickt sind in Ehen, Affären, sexuelle Anekdoten, Geldnöte und den Abstieg in Armut und Alter. Elektrisierend wirkt ihr Erzählton freundlicher Melancholie, der dennoch keine bittere Wahrheit verschweigt.
Elizabeth Hardwick: Schlaflose Nächte | Aus dem Englischen von Anette Grube | AKI | 192 Seiten | 22 €
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zerstörung eines Paradieses
„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich – Literatur 09/24
Lektüre für alle Tage
Lydia Davis‘ Geschichtensammlung „Unsere Fremden“ – Textwelten 09/24
Reise durchs Eismeer
„Auf der Suche nach der geheimnisvollen Riesenqualle“ von Chloe Savage – Vorlesung 09/24
Schluss mit normativen Körperbildern
„Groß“ von Vashti Harrison – Vorlesung 08/24
Weibliche Härte
„Ruths Geheimnis“ von Aroa Moreno Durán – Textwelten 08/24
Mal angenommen, dies sei wahr
„Kälte“ von Szczepan Twardoch – Literatur 07/24
Eine unglaubliche Geschichte
„Die Komponistin von Köln“ von Hanka Meves – Textwelten 07/24
Blicke auf Augenhöhe
„Die Blumenfrau“ von Anne-Christin Plate – Vorlesung 07/24
Warten auf Waffenruhe
„Wann ist endlich Frieden?“ von Elisabeth Raffauf – Vorlesung 06/24
Zeiten(w)ende?
„Gedichte für das Ende der Welt“ von Thomas Dahl – Lyrik 06/24
Wie bedroht ist die Liebe?
„Reichlich spät“ von Claire Keegan – Textwelten 06/24
Gärtnern leicht gemacht
„Bei mir blüht’s!“ von Livi Gosling – Vorlesung 05/24
Ein Quäntchen Zuversicht
Düstere, bedrohliche Welten mit kleinem Hoffnungsschimmer – ComicKultur 09/24
Kunst leben, Kunst töten
(Auto-)Biografische Comics bleiben ein großer Trend – ComicKultur 08/24
Geschichte eines Vierbeiners
„Wie die Katze zu uns kam“ von Lena Zeise – Vorlesung 08/24
Von Pennsylvania in die Welt
„Taylor Swift“ von María Isabel Sánchez Vegara – Vorlesung 07/24
Kollektive Selbstermächtigung
„Be a Rebel – Ermutigung zum Ungehorsam“ von Victoria Müller – Literatur 07/24