„Das ist nicht, was Sie denken“, grinst der hochgewachsene weißhaarige Mann ins volle Auditorium des Overather Kulturbahnhofs, „das ist nur Kondenswasser“, als er das Flügelhorn, sein bevorzugtes Blasinstrument, quasi auskippte. Manfred Schoof, der große internationale Mann der Jazzmusik, gab ein Konzert im kleinen bergischen Städtchen, im stimmungsvoll umgebauten früheren Bahnhof. Das rührige Kulturforum hatte ihn nach Overath gelockt – was ziemlich einfach war, wohnt Schoof doch quasi nebenan. Und es war ein kleines Jubiläumskonzert: 10 Jahre Jazz im Forum – und keiner hat´s gemerkt, wie sein Trompetenkollege Manfred Austen beiläufig bemerkte. Schoof zählt seit Mitte der 60er zu den herausragenden europäischen Jazztrompetern, der mit allen Berühmtheiten der Szene gespielt hat; auf dem Konzert in der Kölner Philharmonie zu seinem 80. Geburtstag gaben sich alle Größen der Jazzszene die Ehre wie Mangelsdorf, Doldinger, Wigham oder Dudek.
An der Musikhochschule Köln habe er die gesamte Jazzmusik von der „Pike auf studiert“, wie er im persönlichen Gespräch berichtet; klassische Trompete bei Adam Zeyer und Jazz bei Jimmy Deuchar. An der Hochschule bekleidete er ab 1979 über 30 Jahre selbst eine Professur für Jazztrompete und Jazzgeschichte und machte auch angehende Schulmusiker mit diesem Genre vertraut. Mit seinen 82 Jahren übt er täglich, da er immer noch als Solist mit unterschiedlichen Jazzgruppen konzertiert. Und ist als Gerichtsgutachter in Sachen Plagiatsvorwurf und für die GEMA tätig; 2006 bekam er das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
Seine Verbindung zu Köln resultiert auch aus der Tätigkeit für den WDR; so hat er 20 Jahre das Morgenmagazin kompositorisch und musikalisch begleitet. Und schreibt und spielt immer noch die Musik für den Dauerbrenner „Die Sendung mit der Maus“ mit seiner „Studioband“, bestehend aus Herbert Nuss (Piano), Bruno Müller (Gitarre), Reinhard Schaub (Bass) und Marcel Richard (Drums). Bis auf den jüngeren Marcel Richard sind alle frühere Schüler von ihm – schon eine ungewöhnliche Kombination. Alle sind freiberuflich in der Jazz-und Popszene tätig, als Professoren, im TV und Radio oder als Begleiter renommierter Solisten. Auf dem „Ritt durch die Geschichte des modernen Jazz“ hatte man die Gelegenheit, seine perfekten Musikerkollegen kennenzulernen, die man sonst immer nur hören kann. Auf dem Programm standen zahlreiche Standards aus dem „American Songbook“ wie „September In The Rain“, „Autumn Inny“, die Samba „There Will Never Be“ oder „Night and Day“, dazu Kompositionen von Miles Davis („Milestones“), Dave Brubeck („In Your Own Sweet Way“) oder „Azule Serape“ von Vilton Feldman.
Beglückend war die traumwandlerische Sicherheit der Gruppe im Zusammenspiel, in der Perfektion der Soli, wunderbar zu beobachten die mimische Kooperation, die Freude an der Musik. Schoof, der auch in seinen Pausen ständig in Bewegung war, beobachtete immer wieder versonnen lächelnd den Pianisten ob seiner Akkorde, irrwitzigen Läufe und nachdenklichen Passagen. Ebenso den ausgezeichneten Gitarristen Bruno Müller – der Lehrer erfreut sich am Ergebnis seines Unterrichts. Das ist halt Live-Musik, das kann keine CD.
In „Shadows“, einer seiner beiden eigenen Kompositionen des Abends, gestand er den „Schatten“ in seiner Vita, eine kürzlich überstandene Krebserkrankung, wie man auch an seiner temporären Kurzhaarfrisur erkennen konnte. Aber er sei nach der Chemo wieder auferstanden, was das Publikum dankbar quittiert. Seine kaskadenartigen blitzenden Läufe auf dem kleinen silberfarbenen Kornett, sein Luftvorrat bei langen Passagen, sein wacher Geist im Zusammenspiel mit den Kollegen, seine Standfestigkeit auf dem Podium – alles sehr beglückend und fast anrührend. Die Kollegen legten sehr individuelle Klangteppiche unter die Trompete, taten sich auch hervor mit eigenen hervorragenden Solis, um dann nach abrupten Tempo- und Stimmungswechseln wieder gemeinsam im Thema zu enden. Schoof ist eigentlich als Free-Jazzer berühmt, ein solches Stück musste natürlich auch drankommen. Das kündigte er auch als solches verschmitzt an: „Keine Angst, nicht zu sehr free, es tut nicht weh.“
Die versonnene und melodische Zugabe von El Core aus dem Film „Orfeo Negro“ beendete ein denkwürdiges Konzert: „Große Musiker im kleinen Overath.“ Entsprechend jubelnd fiel der Applaus aus.
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