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Tänzelnde Aquarelle

30. Mai 2013

ComicKultur 06/13

Nach ihrem meisterlichen Comicroman „Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines Lebens“ legt Ulli Lust mit der Adaption von Marcel Beyers Roman „Flughunde“ erneut ein opulentes und nicht minder erstaunliches Werk vor. Auf gut 350 farbigen Seiten kreuzen sich die Geschichte eines Experten für Akustik und die der Töchter von Goebbels. Lust findet für diese ungewöhnliche Perspektive auf das NS-Regime immer wieder erstaunliche Bilder und zieht den Leser emotional, aber auch intellektuell tief in die Geschehnisse (Suhrkamp). Auch Matthias Gnehms Comics nehmen eine Ausnahmestellung ein. Seine universellen Themen geht er ästhetisch sehr unterschiedlich an und baut immer wieder Twists ein. Das gilt auch für „Der Maler der Ewigen Portrait Galerie“, wo ein Mann beim Aufräumen alte Familienfotos entdeckt und einem Geheimnis auf die Spur kommt. Spannend und raffiniert, alleine das Finale wirkt etwas unglaubwürdig. Die Eternal Portrait Gallery in der Geschichte hat Gnehm auf www.eternalportraitgallery.com Wirklichkeit werden lassen – dort kann man tatsächlich sein Portrait bestellen (Edition Moderne). Mit Manuele Fior ist noch ein herausragender Comickünstler herangewachsen. Sein neuestes Werk „Die Übertragung“ meditiert als Science Fiction-Geschichte über Liebe und Vertrauen. Eine Geschichte in atmosphärischen Kohlezeichnungen, die zum Ende sehr symbolhaft und metaphysisch wird (avant-verlag). Eine ganz eigene Handschrift hat Brecht Evens. Seine leicht surreal anmutenden, aber dann doch immer recht realistischen Geschichten erzählt der flämische Künstler mit experimentell wirkenden, wunderschön anzusehenden Aquarellseiten. Doch auch die zeichnerischen Freiheiten fügen sich immer wieder zu einer klugen und überraschenderweise relativ bodenständigen Erzählung. „Die Amateure“ erzählt von einem professionellen, aber erfolglosen Künstler, der auf einen Haufen Amateur-Künstler trifft. In den lockeren Dialogen tänzeln diese beiden Kunstdiskurse leichtfüßig umeinander herum (Reprodukt).

Joe Saccos Comicreportagen sind längst Klassiker. Der Band „Reportagen“ versammelt nun kürzere Arbeiten zu Den Haag, dem Kaukasus, Irak, Malta, Indien und Palästina. Seine Position ist nicht immer sachlich, sondern oft emotional – das macht ihn angreifbar. Andererseits schafft es seine Anteilnahme, den Leser für die beschriebenen Konflikte zu interessieren (Edition Moderne). Der iranische Karikaturist Mana Neyestani erzählt in „Ein iranischer Albtraum“ davon, wie er im Jahr 2006 auf Grund einer Zeichnung inhaftiert wurde und schließlich abenteuerlich aus dem Land fliehen musste. Neyestani beschreibt eindringlich die Willkür des Unrechtsregimes mit einer Mischung aus Horror und groteskem Humor. Den Zeichnungen sieht man den Karikaturisten an – sie sind etwas spröde und lassen räumliche Tiefe vermissen (Edition Moderne).

Gihef & Vanders widmen sich in „Liverfool“ der tragischen Geschichte von Allan Williams, dem ersten Manager der Beatles. Von einer etwas unnötigen Rahmenhandlung begleitet erzählt Williams von seinen Erlebnissen mit den Weltstars in spe und seinen eigenen Schicksalsschlägen. Eine tragikomisch umgesetzte Fußnote in der Geschichte der Beatles (Edition 52). Der Verlag Reprodukt versucht sich nun auch an Comics für Kinder. Darunter sind solche für Kinder ab 3 Jahren, aber auch Stoffe für Schulkinder. „Hilda und der Mitternachtsriese“ von Luke Pearson ist für etwas ältere Kinder. Die fantastische Geschichte ist gleichermaßen berührend und unheimlich. Das ein oder andere Bild könnte mit in die Träume hinübergleiten.

CHRISTIAN MEYER

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