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Trotz Photoshop mit Spaßbremsenblick: Manfred Spitzer
Foto: Droemer Knaur

Spaßbremse

27. September 2012

Manfred Spitzer attackiert den kritiklosen Umgang mit digitalen Medien – Textwelten 10/12

Wir wollen es nicht mehr hören! Wir wollen nicht mehr hören, was dieser Mann zu sagen hat. Diese Spaßbremse. Wir möchten glauben, dass unsere Kreativität durch Computerspiele gefördert wird, dass sie unseren Geist trainieren und uns fit für die Zukunft machen. Wir möchten, dass man sie für pädagogisch wertvoll hält und als Kunst betrachtet. Ihre Entwickler sollten mit Fördergeldern belohnt werden, immerhin leisten die Bundes- und die Landesregierung da schon kräftige finanzielle Unterstützung. Denn in den Möglichkeiten der digitalen Welt liegt die Chance zu mehr Bildung, und wenn man diese Bildung noch mit viel Spaß erwirbt, dann sollten wir doch alle glücklich sein.

Stattdessen kommt dieser Psychiater, dieser ewige Warner vor den Gefahren des Internets daher und will uns sagen, dass die digitalen Medien unglücklich machen, dass sie unsere geistige Leistungsfähigkeit senken und uns süchtig machen. Ist dieser Manfred Spitzer nicht einfach von Gestern? Wo lebt der denn? Will er uns etwa erzählen, wir sollten wieder zu Kreide und Schiefertafel zurückkehren?

Der Medienpsychologe Peter Vorderer wollte diesem Griesgram aus Ulm – der sich so gut mit dem Gehirn auskennt (Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik) und in seinem neuen Buch mit dem Titel „Digitale Demenz“ beschreibt, wie die digitalen Medien unsere geistige Leistungsfähigkeit beschränken – in einem Streitgespräch, zu dem „Die Zeit“ eingeladen hatte, einmal so richtig die Meinung geigen. Allerdings – das muss man sagen – ging der Schuss nach hinten los. 10:0 für Spitzer, der hat auf jeden Versuch, den Computer zum bloßen Werkzeug oder Spielgerät zu erklären, ein Argument, das belegt, wie uns die digitale Technik in Abhängigkeit bringt. Trotzdem, wir lassen uns den Computer, das Handy und das Navi nicht wegnehmen, da kann Spitzer lange erklären, wie diese Geräte uns das Denken abnehmen und uns unselbständig machen, wie wir den Kontakt zu unserem Körper und unseren Mitmenschen verlieren.

Eines muss man diesem Spielverderber ja lassen, jede seiner Thesen kann er mit einer Untersuchung belegen, deshalb bekam Vorderer auch keine Schnitte im Gespräch. Vor allem in den USA sind zahlreiche Untersuchungen zur Nutzung digitaler Medien auch über lange Zeiträume hinweg erschienen. Fakt ist, dass die Nutzung digitaler Medien unsere Konzentrationsfähigkeit verringert, und das systematisch, weil sich mit ihrem Gebrauch unser Gehirn verändert. Aber die digitale Welt ist etabliert, diese Uhr dreht keiner zurück, schon der Gedanke daran wäre Unsinn. Dass viele Kinder inzwischen mehr Zeit mit digitalen Medien als mit der Schule verbringen, belegt Spitzers These von der Gefahr, zum willenlosen Konsumenten zu werden. Dass die Nutzung von Lernprogrammen Sinn macht, wenn sie im kontrollierten Dialog mit einem Lehrer stattfindet, lässt sich auch beweisen. Wir lernen immer am Besten in der Begegnung mit einem anderen Menschen, das trifft auch für die Nutzung von Lernprogrammen zu. Aber dass es für diesen begleitenden Umgang mit den digitalen Medien keine konkreten Richtlinien gibt, bleibt ebenfalls eine Tatsache. Manfred Spitzers scharfe Abrechnung mit dem Medium, das unsere Welt heute wie kein anderes prägt, wird ein Diskussionsthema bleiben. Es ist gut, dass es vorliegt, so dass man sich in Zukunft tüchtig an ihm abarbeiten kann.

Manfred Spitzer „Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ I Droemer I 19,99 Euro

THOMAS LINDEN

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