Diesmal nutzt das Museum Ludwig die Gunst der Stunde: Aus Anlass der Verleihung des Wolfgang-Hahn-Preises zeigt es einen Überblick über das Gesamtwerk von Hague Yang – und es macht dies opulent, großzügig und vielleicht ein bisschen des Guten zu viel. Indes gehört die 1971 in Seoul geborene, an der Frankfurter Städelakademie bei Georg Herold studierte und heute überwiegend in Berlin lebende Künstlerin zu den weltweit gefragten Akteuren der Gegenwartskunst. Ihre Ausstellungen neuer Werke sind immer für Überraschungen gut, wenngleich der theoretische und der ästhetische Background vorgegeben sind. Die Ausstellung im Museum Ludwig nun vermittelt exzellent, wie die Objekte und Installationen, Collagen, Fotografien und Filme das Repertoire über zwei Jahrzehnte variiert haben, schon weil private und kollektive Erfahrungen eingeflossen sind.
Der Wechselausstellungsbereich erweist sich mit den gegenläufig zwischen Boden und Decke gespannten Dreiecken als Parcours. Die Holzkonstruktionen auf den Rückseiten bleiben offen, und im Verlauf der Ausstellung (und besonders bei den Bildern) bestätigt sich die Assoziation zur südostasiatischen Faltkunst des Origami. Ein weiteres wiederkehrendes Motiv sind Jalousien. Ihre Rasterformen deuten gleichzeitig Verbergen und Öffnen an, Beobachtung und Beobachtet-Werden. Für sich im Raum hängend, markieren sie die Trennung der Privatsphäre vom Öffentlichen, mit den Lamellen, durch die das Licht strömt. Aber Hague Yang hat die Effekte des Lichtes noch gesteigert, etwa als rotierende Spots – wie Suchscheinwerfer und wie das im Tagesverlauf wandernde Sonnenlicht – und durch die mit der Helligkeit verbundene Aufhitzung, besonders mit glühend rotem Kunstlicht. Eines jedenfalls ist die Kunst von Hague Yang trotz ihrer austarierten Ordnung bestimmt nicht: nüchtern trocken. Vielmehr berührt sie alle Sinne, setzt noch Wärme und Gerüche ein und schafft so Zustände zwischen Träumen und Erwachen. Im Museum Ludwig erinnern ihre Lichtskulpturen an exotische Fetische. Infusionsständer werden zu Stehlampen, schaffen aus Kabelsalat mit nach unten hängenden Glühbirnen bedrohlich fremdartige Lichterketten, die andererseits wieder an die westliche Weihnachtszeit denken lassen. Yang spielt mit der Farbigkeit zugleich auf Malerei an und erzeugt mit Lametta und Perücken noch die Vorstellung ritueller Szenen oder karnevalistischer Verkleidungen. Mit der Form des Kleiderständers aber liegen wieder Verweise auf die Einrichtung in der Zivilisation vor.
(Be-)Wohnen – als Teil unserer Existenz und des Reisens – zieht sich durch ihr gesamtes Werk. Zum häufigen Wechsel des Wohnortes mit der Frage der (kulturellen) Identität kommen die Aspekte des persönlichen Rückzugs ebenso wie die Aufbruchsstimmung. Natürlich schwingen die aktuellen Szenarien der Flüchtlingsströme und der Überbevölkerung als Assoziationen mit, gesehen aus der fernöstlichen Perspektive, aber auch mit der Erfahrung großzügiger Wohndimensionen in Deutschland. Demgegenüber hat sie schon frühzeitig die Lagerung von Hab und Gut vor Augen geführt, in ihrer Skulptur „Storage Piece“ (2004) mit Kunstwerken hinter Verpackungsmaterial, zusammengerückt auf einer Standardpalette, wie auf einem Floß. Vor diesem Hintergrund wird auch eine andere von Hague Yang manchmal so simplen und schmucklosen Arbeiten klar: Sie hat bekannte Kölner (Henriette Reker, Wolfgang Niedecken etc.) um ein Möbelstück von zuhause gebeten und die Stühle und Tische wie in einer Kantine zusammengestellt: als punktgenaue Setzung, die wieder auf Heimat, Geborgenheit und kulturelle Identität verweist.
Wie effektvoll und emotional überschäumend sie in ihrer Arbeit aber auch sein kann, zeigt sich dann im 12 Meter hohen DC-Saal: Hier hängen als Mobile zwei monumentale Werke mit leuchtenden Jalousien von überwältigender Schönheit. Natürlich hätten diese beiden Objekte allein als Ausstellung zum Wolfgang-Hahn-Preis gereicht. Dass wir in diesem Jahr so viel mehr zu sehen bekommen und dadurch mehr verstehen: umso besser.
Haegue Yang – ETA 1994-2018 | bis 12.8. | Museum Ludwig | 0221 22 12 61 65
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