Man kennt es von vielen Fällen, am prominentesten vielleicht vom Teflon der Firma DuPont: Es werden Stoffe und Chemikalien entwickelt und ohne genügende Absicherung verarbeitet. Die Menschen in der Umgebung oder den Fabriken kommen regelmäßig damit in Kontakt, und erst wenn sich Krankheiten und Sterbefälle häufen, erfahren die Betroffenen von den gesundheitlichen Schäden – oft zu spät. So war es auch bei den sogenannten „Radium Girls“, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in New Jersey die fluoreszierende Leuchtfarbe auf die Ziffernblätter von Uhren aufgetragen haben. Die französische Comickünstlerin Cy erzählt in expressiven Buntstiftzeichnungen von jener Gruppe junger Frauen, die schließlich gegen das Unternehmen geklagt hat und damit das Thema Arbeitsrechte popularisierte. Der in geschwungen-expressiven Zeichnungen gehaltene Comic berichtet sowohl vom Leid der Arbeiterinnen als auch von ihrem historisch bedeutsamen Kämpfergeist (Carlsen).
Mit „Mehltau“ ging Lewis Trondheim 1994 weiter in der Geschichte zurück – ins Mittelalter. Und doch wirkt seine Mantel- und Degen-Action, die gerade neu aufgelegt wird, aktueller denn je. Der dritte Schwarzweißband um Trondheims berühmte Figur Herr Hase, bevor dieser regulär farbig in Serie ging, ist eine einzige aberwitzige Verfolgungsjagd zwischen dem Putschisten Mehltau und Hase, einem Revolutionär. Gerade ist auch der 20. Band „Die fröhliche Apokalypse“ der inzwischen drei Herr Hase-Reihen erschienen – auf gewohnt hohem Niveau. Ein Ende ist nach dem Relaunch vor ein paar Jahren glücklicherweise nicht in Sicht (Reprodukt).
Die Fachzeitschrift Reddition erscheint seit 1984 zu unterschiedlichsten Comic-Themen und -Künstlern. Die Doppelnummer 74/75 widmet sich ganz dem Thema „Comic und Musik“. Eine spannende Exkursion in die fehlende Tonspur des Mediums, was von vielen Künstlern weniger als Mangel denn als Herausforderung verstanden wird. Die Texte und Interviews beschäftigen sich fundiert mit Robert Crumb, Reinhard Kleist (mit einem Interview zu seinem neuen Bowie-Comic), Serge Clerc, Bill Sienkiewicz, den Peanuts, den Beatles, Bowie, Kiss sowie Hip Hop und Jazz im Comic. Außerdem werden Musiker erwähnt, die Comics produzieren, und gezeichnete Plattencover dargestellt. Die 100 Seiten sind reich bebildert (Edition Alfonz).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24
Spurensuche
Comics zwischen Wirklichkeit, Fantasie und Spektakel – ComicKultur 03/24
Held:innen ohne Superkraft
Comics gegen Diktatur und Ungerechtigkeit – ComicKultur 01/24
Ernste Töne
Neue Comics von Sfar, Yelin und Paillard – ComicKultur 12/23
Ausstellung in Buchformat
Wenn jedes einzelne Panel im Comic einem Kunstwerk gleicht – ComicKultur 11/23
Klaustrophobische Comics
Eingerahmter Existentialismus zwischen Leben und Tod – ComicKultur 09/23
Zwiespältige Helden
Geschichten aus anderen Zeiten – ComicKultur 08/23
Große Werke bei kleinen Verlagen
Comics sind nach wie vor ein Risikogeschäft – ComicKultur 07/23
Rotes Blut, roter Staub
Graphic Novels mit cineastischen Bezügen – ComicKultur 06/23
Quietschbunte Gewalt
Von starken Frauen und korrupten Männern – ComicKultur 05/23
Besser spät als nie
Abschlussbände von Comicreihen endlich erschienen – ComicKultur 04/23
Comic, Film, Comic-Film?
Von Comics, Graphic Novels und Animationsfilmen – ComicKultur 03/23
Kindheit zwischen Buchseiten
„Die kleinen Bücher der kleinen Brontës“ von Sara O’Leary und Briony May Smith – Vorlesung 05/24
Vom Arbeiterkind zum Autor
Martin Becker liest im Literaturhaus aus „Die Arbeiter“ – Lesung 04/24
Grenzen überwinden
„Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ von Uticha Marmon – Vorlesung 04/24
Erwachsen werden
„Paare: Eine Liebesgeschichte“ von Maggie Millner – Textwelten 04/24
Wortspielspaß und Sprachsensibilität
Rebecca Guggers und Simon Röthlisbergers „Der Wortschatz“ – Vorlesung 03/24
Lebensfreunde wiederfinden
„Ich mach dich froh!“ von Corrinne Averiss und Isabelle Follath – Vorlesung 03/24
Das alles ist uns ganz nah
„Spur und Abweg“ von Kurt Tallert – Textwelten 03/24
Wut ist gut
„Warum ich Feministin bin“ von Chimamanda Ngozi Adichie – Vorlesung 03/24
Unschuldig bis zum Beweis der Schuld
„Der war’s“ von Juli Zeh und Elisa Hoven – Vorlesung 02/24
Das Drama der Frau um die 50
„So wie du mich willst“ von Camille Laurens – Textwelten 02/24
Gertrude, Celeste und all die anderen
Progressive Frauen in Comics – ComicKultur 02/24