Ein typisches Vorurteil über Comics lautet, dass diese zwangsläufig lustig sein müssen. Immerhin leitet sich sogar die gängige Bezeichnung „Comic“ aus dem englischen Wort für „komisch“, „lustig“ oder „drollig“ ab. Der deutsche Autor, Illustrator und Literaturwissenschaftler Lino Wirag zeichnet jedoch ein differenzierteres Bild über die Comickultur und räumt mit diesen Klischees auf. Im Literaturhaus Köln stellte dieser am 12.11. im Zuge des Comicfestivals gängige Thesen zum Wesen des Comics vor.
Laut Wirag resultiere das Vorurteil, dass Comics lustig sein müssten, besonders aus den sprachlichen und historischen Wurzeln des Comics. Denn zu Beginn der Comickultur im 19. Jahrhundert, handelte es sich tatsächlich überwiegend um unterhaltsame Bildwitze und Karikaturen, die in Zeitungen und Magazinen veröffentlicht wurden und der leichten Unterhaltung dienten. Bekannte Pioniere der damaligen Zeit sind unter anderem die Autoren Wilhelm Busch, Richard Outcault und Winsor McCay. Ihr künstlerischer Einfluss reicht bis in die heutige Zeit.
Das humoristische Klischee von Comics ist aber schon lange kein notwendiges Kriterium mehr dafür. „Die Deutschen“, sagt Wirag, „sind diesbezüglich etwas infantil regressiv geblieben.“ Man müsse bloß einen Blick auf die Liste der bestverkauftesten Comichefte in Deutschland werfen, um zu sehen, dass das Genre hierzulande stark durch Formate wie Asterix & Obelix, Die Simpsons oder Lustiges Taschenbuch geprägt sei.
Eigentlich seien bereits seit den 1930er Jahren nur noch ein kleiner der Teil der Veröffentlichung rein humoristischer Natur, sagt Wirag. Dies liege besonders an zwei Faktoren. Zum einen an den damaligen weltpolitischen Geschehnissen – vorrangig das Auftreten des Faschismus und die Ereignisse um den Ersten und Zweiten Weltkrieg, die zu einer Dramatisierung der Comickultur führten. Und zum anderen, aufgrund der Geburt der Superhelden-Comics mit bekannten Ikonen wie Batman, Superman oder Captain Marvel, die sich allesamt der Verbrechensbekämpfung widmen.
Heute ist einer der weltweit populärsten Titel der Zombiehorrorcomic „The Walking Dead“, der die Vorlage für die gleichnamige Erfolgsserie lieferte. Andere lesenswerte Gegenbeispiele, die Wirag empfiehlt sind „Maus“, „Watchmen“, „Fun Home“ und „V für Vendetta“. Die genannten Graphic Novels zeigten allesamt, das Comics nicht immer komisch oder lustig sein müssen, und dieses Stigma auch nicht verdient haben. Ganz im Gegenteil: aktuelle Formate sind oft geprägt von Gewaltdarstellungen und düsteren Geschichten, die nichts für Zartbesaitete sind. Dafür sind sie aber umso spannender.
Am Freitag wurde das Thema Comic auf dem Festival in weiteren Diskussionen
unter die Lupe genommen. Flix ("Schöne Töchter") und Katharina Greve ("Hotel Hades") sprachen über die jeweiligen narrativen und gestalterischen Vorzüge von Kurz- und Langformat, von Comic-Strips und Graphic Novel, und würzten das Gespräch mit kurzweiligen Lesepassagen. Zuvor hatten David Schraven vom freien Journalistenbüro Collect!v und der Zeichner Vincent Burmeister an Hand ihres Comics „Kriegszeiten“ über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan spannende Einblicke in die Entstehung einer Comicreportage gegeben.
Am Samstag diskutierten Klaus Schikowski vom Carlsen Verlag und der Ausstellungsmacher Alexander Braun das Problem der Vermittlung, denn im Gegensatz zu z.B. Frankreich führt der Comic in Deutschland immer noch eine Randexistenz. Ralf König bescherte dem Comicfestival anschließend mit einer Mischung aus biografischem Einblick in Leben und Arbeit und extrem lustigen Lesepassagen ein großartiges Finale.
Die Veranstalter des Festivals zeigten sich zufrieden und wollen ihre Arbeit im kommenden Jahr auf jeden Fall weiterführen. Nach einigen gescheiterten Versuchen in den letzten Jahren, in Köln ein Comicfestival zu lancieren, stände es der Stadt gut zu Gesicht, wenn es nun endlich nachhaltig funktionieren würde.
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