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Mit allen Mitteln

28. April 2016

Neue Comics schöpfen die Möglichkeiten des Mediums aus – ComicKultur 05/16

Wonnemonat Mai? In Bezug auf die Comicveröffentlichungen kann man sich wirklich nicht beklagen! Der Belgier Oliver Schrauwen erzählt in „Arséne Schrauwen“ mit seiner faszinierenden Retroavantgarde-Grafik vom garantiert historisch verbürgten, aberwitzigen Kolonial-Abenteuer seines Großvaters. Langes Warten, große Utopien und Irrwege erinnern an Joseph Conrads „Herz der Finsternis“. Nur dass bei Schrauwen Surreales und Wahn eine wunderbare Verbindung mit absurdem Humor eingehen. Eine fantastische und visuell unglaublich faszinierende Reise in die Abgründe des Daseins zwischen Elefantenwürmern, Leopardenmenschen und dem einfältigen, phlegmatischen Protagonisten (Reprodukt). Auch die Hauptfigur in „Röhner“ kann man kaum einen Mann der Tat nennen. „P.“ lebt in seiner perfekt eingerichteten Wohnung vor sich hin, stets darauf bedacht, dass alles seine Ordnung hat. Nur ab und an dringt seine Nachbarin in dieses Refugium ein und stört den Ablauf. Als sich jedoch P.‘s alter Bekannter Röhner ankündigt, hat er schlimmste Vorahnungen. Und in der Tat: Röhner fühlt sich bei ihm wie zuhause und will gleich ein paar Tage bleiben. Für P. beginnt eine schwierige Zeit, in der er sich innerlich über Röhner ärgert und langwierige Überlegungen anstellt, wie er ihn wieder loswerden kann. Max Baitinger hat für seine unspektakuläre Geschichte grandiose Illustrationen gefunden. In klaren Linien zirkelt er P.‘s Lebensraum ab, um mit beeindruckenden Effekten die Störung und Auflösung desselben zu zelebrieren (Rotopolpress).

Und noch ein Meisterwerk: Adrian Tomines „Eindringlinge“ ist eine Kurzgeschichtensammlung, die die Qualitiäten des amerikanischen Künstlers voll zur Geltung bringt. In sechs Geschichten schildert Tomine die Innenansichten von Außenseitern: Mit großem Einfühlungsvermögen und emotionaler Genauigkeit zeichnet er seine Charaktere und ihr Schicksal: Tomine wählt nie das Extrem, wird nie laut in seinen Geschichten, fördert mit dieser Haltung aber überraschend viele psychologische Feinheiten an die Oberfläche. Sein narrativer Gestus verschmilzt mit seinen feinen, detailreichen Zeichnungen zu unaufdringlichen, aber unglaublich berührenden kleinen Kunstwerken (Reprodukt). Maximilien Le Roy und Loïc Locatelli Kournwsky erzählen die Geschichte von Carmen Castillo. Und von ihrem Mann Miguel Enriquez. Und von ihren Kindern und vom Vater ihres ersten Kindes, Andrés Pacal. Und von Beatriz Allende. Und ihrem Vater Salvador Allende. Die meisten der Genannten sind lange tot, Carmen Castillo ist eine Überlebende der chilenischen Diktatur unter General Pinochet. „Überlebt!“ erzählt die Geschichte von Carmen Castillo und all den anderen politisch-historisch genau und emotional berührend. Die Autoren finden auch für das kaum Vorstellbare, für Unterdrückung, Einschüchterung und Folter die entsprechenden Bilder (Edition Moderne).

Dickie“ heißt Pieter de Poorteres dickes Kerlchen. Mal dümmlich, mal traurig, mal auch bösartig kämpft Dickie gegen die Widrigkeiten des Lebens an. Die kurzen Comic-Strips kommen ganz ohne Dialog aus, um in schwärzestem Humor die dunklen Seiten des irdischen Daseins auszuloten. Der Mensch an sich kommt bei Poortere nicht sonderlich gut weg, ein humanistisches Ideal kann man hinter all dem in naiven, schlichten Zeichnungen beschworenen Grauen und Zynismus aber doch mitunter erkennen (Avant Verlag).

Christian Meyer

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