Dies ist die Geschichte davon, wie ich einmal um den Block gelaufen bin, mein eigenes Haus umrundete, kornmühlenhaft konzentriert konzentrische Kreise abschritt, um am Ende nur wieder dort anzugelangen, wo ich meine Reise begonnen hatte. Wie ein Bumm-Bumm-Bumm-Bumerang kam ich immer wieder bei mir an, like a satellite war ich im Orbit um mein Eigenheim. Entlang der Jägerzäune der Vorstadt schreitend, von den ausdruckslosen Gesichtern ganzer Kolonien von Gartenzwergen angestarrt, fiel mein Blick auf Heerscharen familientauglicher Kombi-Fahrzeuge und es schlich sich auf Ninjapfoten der Gedanke in meinen Kopf, dass mein Block nicht zu 100 Prozent Gangsta-Style ist.
Eine Kolumne im Blocksatz
Mit Mühe musste ich den Impuls unterdrücken, einem der Gartenzwerge ein Bandana überzustreifen, ihm einen Schlagring auf den Handrücken zu tätowieren und ihm mein Freundschaftsband um den Hals zu hängen, damit der wenigstens ein bisschen Bling-Bling hatte.
Es hätte die harte Realität nur matt kaschiert: Das hier war kein krasser Ghetto-Shit, auch wenn ich gerade voll von der Straße kam – ich hatte sie an der Fußgängerampel überquert. Immerhin bei Orange. Ich krasser Typ.
Doch hier wurde an der Straßenecke kein Crystal Meth vertickt, hier wurden Rezepte für Bulgurmuffins ausgetauscht und die Vorteile von Birkenzucker gegenüber Stevia erläutert. Hier wird kein Schutzgeld erpresst, sondern vom Nachbarn mit sanfter Stimme erwünscht, dass er seinen Golden Retriever anleinen soll, weil sich die Frau Großmutter sonst immer vor Schreck ein klein bisschen in den Unterrock pullert.
Wenn der Nachbar das ablehnt, dann ist er damit definitiv der krasseste Kriminelle vor Ort und darf sich darum Big Daddy Doggz nennen. Auf Rang zwei in der Verbrechensstatistik ist übrigens Frau Schmittkamp von der Ecke Mozartstraße/Teichgasse, weil sie ihren Rasen immer „mit runden Ecken“ mäht. So heißt das, wenn man aus Gemütlichkeit nicht in jeden Winkel des Vorgartens hinein die Gräser stutzt. Die alte Schmittkamp ist halt crazy drauf.
Wahn und Waran
Da außer Big Daddy Doggz und der Schmittkamp hier nicht viele andere Leute wohnen, kann man also mit Fug und Recht sagen, dass hier der Wahnsinn regiert. Bei uns im Block wimmelt es von potentiell gewalttätigen Schwerverbrechern! Ein Spaziergang um mein eigenes Haus herum, und schon bin ich wieder total fertig mit den Nerven.
Ich koch’ mir jetzt erst mal einen Kamillentee mit einem Schuss Lavendelsirup. Aber womit soll ich süßen – mit Stevia oder Birkenzucker? Um Zuschrift wird gebeten, aber bitte keine Briefumschläge mit scharfen Kanten!
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Eine wahre Fluchtgeschichte
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ von Maya C. Klinger & Isabel Kreitz – Vorlesung 07/25
Die Kraft der Erinnerung
„Das Geschenk des Elefanten“ von Tanja Wenz – Vorlesung 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25
Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
„Schon immer für alle offen“
Marie Foulis von der Schreibwerkstatt Köln über den Umzug der Lesereihe Mit anderen Worten – Interview 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25
Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25
Internationales ABC
„A wie Biene“ von Ellen Heck – Vorlesung 02/25