Im Zeitalter des Handys trifft man keine verbindlichen Entscheidungen mehr. Man hält die Dinge in der Schwebe, weil sich ja möglicherweise noch unerwartete Optionen eröffnen. In seinem neuen Roman „Mit Haut und Haaren“ entwirft der Niederländer Arnon Grünberg ein ganzes Panoptikum von Beziehungen, die alle auf irgendeine Weise mit Roland Oberstein, einem attraktiven Dozenten zu tun haben, der Liebesbeziehungen zu drei Frauen unterhält.
Grünberg erzählt die Geschichten dieser Frauen – der verheirateten Lea, die Robert auf einem Kongress kennenlernt, Sylvie, seiner Ex-Frau und Violet, seiner aktuellen Freundin – und er erzählt von den Beziehungen, die diese Frauen zu anderen Männern unterhalten. Das hört sich komplex an, ist es auch, aber Grünberg läuft nie Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Im Gegenteil, jedes Kapitel enthält scharf geschnittene Szenen, schnelle Dialoge, er ist ein guter Beobachter, der sinnliche Details klug auszuspielen versteht und mit wenigen Strichen interessante Porträts entwerfen kann.
Grünberg mischt eine würzige Prise Ironie in seinen Realismus. So versucht Robert eine emotional wohldosierte Distanz zwischen sich und den Frauen anzulegen, die auch den Frauen nicht unbekannt ist, aber das Leben streut immer wieder Sand ins Getriebe, so dass die Gefühle dann doch sichtbar werden. Diese Spannung zwischen komfortabler Abgeklärtheit und dem Wunsch nach der Liebe, diesem gefährlichen Gefühl, das alles durcheinander bringt, aber auch allem Sinn verleiht, gibt dem Roman seinen Drive. Und es ist ein großer Spaß, zu verfolgen, wie Arnon Grünberg die aktuellen Wasserstandsmeldungen in Sachen Liebe und Sex vermisst. Im Rahmen der lit.Cologne liest er aus seinem köstlichen Roman am 21. März in der Stadtbibliothek.
Arnon Grünberg: "Mit Haut und Haaren" | 21.3., 19.30 Uhr | Stadtbibliothek Köln, Josef-Haubrich-Hof 1
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