Der Besuch eines Kunstboot-Events bewegt – unausweichlich. Dafür sorgen allein die Wogen des Rheins, die das ehemalige Torpedoschiff der kaiserlichen Marine umspielen. Mit rund 16 Metern Länge und drei Metern Breite stellt das 106 Jahre alte Gefährt im Rheinaufhafen eine der ungewöhnlichsten Eventstätten Kölns dar. Seit August 2020 feiert Eigentümer Rolf Hartung regelmäßig Vernissagen, Kunstausstellungen, Lesungen und Konzerte auf dem sanierten Kahn, der immer noch see- bzw. flusstüchtig ist. „Ich habe das Schiff über E-Bay-Kleinanzeigen in Düsseldorf erstanden. Auf der Überfahrt haben wir so manches jüngere Boot hinter uns gelassen. Da gab es große Augen auf Deck“, berichtet der Künstler und Kurator.
Im Schatten der Kranhäuser und unweit der Severinsbrücke vor Anker liegend, soll die Lady Stahl ihre kriegerische Vergangenheit als Gastgeberin multikultureller Veranstaltungen endgültig hinter sich lassen und im Sinne der Völkerverständigung zu Inspirationen einladen. „Bisher war die Resonanz auf unsere Angebote sehr gut. Wir haben Anfragen ohne Ende. Die Verhältnisse mit relativ kleiner Fläche, aber dennoch viel Raum stellen eine Herausforderung für die Künstler:innen dar. Man kann hier sehr viel machen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheint“, freut sich Hartung. Neben den Stuhlreihen im Heck der „Lady“ kann der Veranstalter auch den anliegenden Steg mit Sitzgelegenheiten ausstatten. Auf dem Flachdach der Steuerkajüte dagegen können die Performer thronen. „Das ist natürlich ideal für Lesungen und kleinere Konzerte für bis zu 50 Personen. Während der Pandemie lassen wir aber maximal nur 30 Leute auf das Schiff“, informiert Hartung, der sich ferner einen künstlerischen Ausflug in die Höhe vorstellen kann. „Probleme mit zu niedrigen Decken haben wir jedenfalls keine“, verweist der Gastgeber auf den freien Himmel.
Die Idee zur genreübergreifenden Nutzung erhielt der Maler und Bildhauer von Autorin Christina Bacher. „Es lag nahe, dass hier auch Literatur-Events stattfinden können. Wie beim Schreiben ist hier alles im Fluss. Nicht nur das Wasser, auch die Kunst kann hier etwas bewegen. Ich selbst habe schon hier gelesen und meinen letzten Roman ‚Hinkels Mord‘ vorgestellt. Darin geht es um eine Spurensuche, die in die Vergangenheit führt – eine Reise. Wie Züge sind auch Schiffe ein Symbol für Aufbrüche und lange Fahrten, die uns an neue Orte bringen. Das passte hervorragend“, erzählt die Schriftstellerin und Chefredakteurin des Straßenmagazins „Draussenseiter“.
Aufgrund der gemütlichen Atmosphäre sei es zudem schnell zu Gesprächen mit dem Publikum gekommen. „Man hat darüber hinaus immer Zaungäste, die während ihrer Spaziergänge stehen bleiben und sich über das Geländer beugen, um zuzuhören“, berichtet Bacher. Als Förderer der Offerten konnte Schiffseigner Hartung das Bundesprojekt „Neustart Kultur“ gewinnen. Dadurch entfiel bisher der kommerzielle Druck in Bezug auf das Programm. „Wir möchten vor allem unbekannten Künstler:innen die Chance zur Präsentation ihrer Arbeiten geben. Die Lady Stahl soll sich langfristig als kreativer Ort für Leute etablieren, die nicht durch große Verlage oder Galerien gepusht werden.“ Dafür plant Hartung weitere Umbauten im Bootsinneren während der Winterpause. Unter Deck sollen dann zusätzliche wetterunabhängige Aktionen stattfinden.
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