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Geschichtsstunden

27. November 2014

Biopics und Dokufictions erobern die Comicwelt – ComicKultur 12/14

Dylan Horrocks hat bereits mit „Hicksville“ die Metaebene der Comicerzählung erklommen und ein kleines Dorf ersonnen, in dem alle Einwohner ganz normal Comics lesen, so wie im wirklichen Leben Bücher. Mit „Sam Zabel in: Der König des Mars“ geht er einen Schritt weiter und lässt seine schreibblockierte Hauptfigur in die Fantasiewelten seiner Comics eintreten. Dort erlebt er nicht nur Abenteuer, diese werden auch gleich ideologiekritisch hinterfragt von Zabels neuer Bekanntschaft, einer jungen, selbstbewussten Comicautorin. Intelligent und witzig zugleich (Egmont). „Intisars Auto“ basiert auf Erlebnissen, die der Autor Pedro Riera bei einem einjährigen Aufenthalt im Jemen mit seiner Frau machte. Die Figur der jungen Intisar ist aus den Eigenschaften vieler Frauen und Erzählungen zusammengesetzt. Ihr Freiheitswille und das im großen Gegensatz dazu stehende Patriarchat im Land spiegeln die Situation der Frau im Jemen so eindrucksvoll wie erschreckend wieder. Gezeichnet hat die nicht ohne Humor erzählte Geschichte Nacho Casanova mit feinem Strich (Egmont).

Blitzkrieg der Liebe“ ist ein finnisches Coming-of-Age-Drama, das visuell mit Überzeichnung und vor allem Verniedlichung arbeitet: Zu Beginn seiner Pubertät verliebt sich Eero in seine alte Sandkastenfreundin. Die ist in ihrer Entwicklung allerdings schon wesentlich weiter, und so nimmt die Tragik seinen Lauf. Petteri Tikkanens Zeichnungen sind flächig, farbig und stilisiert: Ein Pop-Comic über das Erwachsenwerden (avant-verlag). Der preisgekrönte Band „Come prima“ – zu Deutsch „Wie einst“ – erzählt von der Reise zweier ungleicher Brüder, die mit der Last der Vergangenheit hadern. Nachdem der Ältere früh und ohne Abschied die Heimat verlassen hat, haben sie sich nicht mehr gesehen. Jetzt will der Jüngere ihn zurückholen. Die Reise in einem klapprigen Fiat 500 gerät zur turbulenten und konfliktreichen Odyssee, an deren Ende mehr als eine Überraschung steht: Alfred erzählt mit seinen stimmungsvollen Zeichnungen nicht nur vom Italien der späten 50er Jahre, sondern indirekt auch dem Mussolinis (Reprodukt).

Pierre Christin, vor allem durch seine Jugendserie „Valerian & Veronique“ und seine Zusammenarbeit mit Enki Bilal bei der Reihe „Legenden der Gegenwart“ bekannt, widmet sich mit „Robert Moses – Der Mann, der New York erfand“ dem Leben desjenigen Städteplaners, der von 1930 bis 1970 die Entwicklung New Yorks zur modernen (Auto-)Stadt entscheidend prägte. Der anfängliche Respekt für Moses' frühen Weitblick weicht zunehmend einer Kritik an dessen Ignoranz gegenüber der Bevölkerung. Olivier Balez illustriert das Biopic farbenfroh und anschaulich. Die dem Genre immanenten Schwierigkeiten, im Zeitraffer und einzelnen Episoden durch die Zeit hasten zu müssen, hat der Band weitgehend im Griff (Carlsen). Pünktlich zum Jubiläum des Mauerfalls erscheint „Treibsand“ von Alexander Lahl, Max Mönch und Zeichnerin Kitty Kahane. Nach ihrer Doku-Fiction „17. Juni. Die Geschichte von Armin und Eva“ wagen sie sich nun auch auf fiktionalem Weg an das Jahr 1989: Der amerikanische Journalist Tom ist als Korrespondent in Berlin. Wenn welthistorische Ereignisse anstehen, bekommt er regelmäßig Zahnschmerzen. Gerade werden sie immer unerträglicher, da lernt er eine ehemalige Ostberlinerin kennen: Zwischen Liebe, Politik und Zahnarztstuhl gerät er in den surrealen Strudel der Ereignisse. Der Erzählansatz birgt einige Überraschungen und Turbulenzen und ist voller hanebüchener und sehr lustiger Ideen (Metrolit).

CHRISTIAN MEYER

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