Cameron Edwin (Jim Gaffigan) steht kurz vor der Scheidung, die Karriereleiter klettert er abwärts. Seine Wissenschaftssendung für Kinder wurde gerade in die TV-Nachtschiene verschoben – und nun wird er auch noch von einem neuen Moderator ersetzt. Der ist jenes Opfer eines skurrilen Autocrashs vom Vortag, das ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Als auch noch ein Satellit in seinem Garten abstürzt, droht er die Kontrolle über sein Leben zu verlieren. Colin Wests „Linoleum – Das All und all das“ (Cinenova, OmU in der Filmpalette und in der Bonner Kinemathek) erscheint wie ein kleines, anrührendes amerikanisches Indie-Drama mit viel Witz, entpuppt sich mit seinen vielen Fragezeichen aber zunehmend als kleines Juwel voller erzählerischer Überraschungen. Doch nie gewinnt verkopftes Rätselraten die Oberhand in diesem wunderschönen existentiellen Lebensdrama. Überirdisch gut.
Bruno (Denis Moschitto, „Chiko“) ist passionierter Arzt – hat aber seine Approbation verloren. Um seinem Gewerk weiterhin nachgehen zu können, kümmert sich der Loner aus Köln vorwiegend nachts um Verletzte und Erkrankte, um Menschen, die aus dem System fallen, seien es Kriminelle oder illegale Prostituierte. Die Anwältin Kreber (Anke Engelke) knüpft für Bruno Kontakte. Aktuell: ein an Leukämie erkrankter Mafiosi. Als er ihn behandelt, gerät Bruno mit seinem Schwager Giuli (Fahri Yardim) aneinander, auf den kürzlich geschossen wurde und der mit dem leukämiekranken Patienten verfeindet ist. Schon bald steht Bruno zwischen den Fronten. Denis Moschitto, der als Co-Regisseur und Co-Autor mit Daniel Rakete Siegel für „Schock“ (Cinedom, Cineplex, Lichtspiele Kalk, UCI) verantwortlich zeichnet, liefert einen abgründiges Genredrama, das seine Kraft und Spannung bei ruhiger Gangart aus der Unruhe der Hauptfigur zieht.
Tierra Del Fuego, Chile, 1901. Aristokratische Grundbesitzer knechten die indigene Bevölkerung. Der halbchilenische Segundo wird gemeinsam mit einem amerikanischen Söldner dem britischen Leutnant MacLennan unterstellt. Der Trupp soll einen Weg zum Atlantik ergründen. „Colonos“ (OmU in der Filmpalette) begleitet die Männer durch unwirtliche Landschaften, die Regisseur Felipe Gálvez Haberle prachtvoll auf die Leinwand bannt. Die Menschen darin: zu Vieh degradierte Ureinwohner und die weiße Herrenrasse, die sich, je gelangweilter, desto gefährlicher, in kolonialem Selbstverständnis Land und Leute Untertan macht. Atmosphärisches, sinnliches und schmerzvolles Drama einer Reise durch koloniale Abgründe, das den Western ebenso streift wie den Größenwahn des Colonel Kurtz aus „Apocalypse Now“.
Außerdem neu in den Kinos: Matthias Freiers Ermittlerinnen-Doku „Die Unsichtbaren“, Reinaldo Marcus Greens sympathisches Biopic „Bob Marley: One Love“ (Cinedom, Cineplex, Residenz, Rex, UCI), Luc Jacquets selbstreflexive Doku „Rückkehr zum Land der Pinguine“ (Cinenova, Filmhaus, Odeon) und S.J. Clarksons Superhelden-Spin-Off „Madame Web“ (Autokino Porz, Cinedom, Cineplex, UCI, OV im Cinedom, Cineplex und UCI).
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