Wolfgang Becker (1954-2024, „Good Bye, Lenin!“) war sicherlich einer der wichtigsten und erfolgreichsten deutschen Regisseure nach der Wiedervereinigung. Im Jahr 2024 nahm er mit „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, Rex, UCI, Weisshaus) seinen siebten Langfilm in Angriff. Nur wenige Wochen, nachdem die letzte Klappe des Films gefallen war, verstarb Becker im Alter von 70 Jahren. Sein filmisches Vermächtnis kann sich aber wahrlich sehen lassen und vereint noch einmal die ihm wichtigen Themen rund um deutsch-deutsche Vergangenheit, Umgang mit Geschichte und die Macht der Medien. Michael Hartung (Charly Hübner) betreibt in Prenzlauer Berg eine der letzten Videotheken. Der Journalist Alexander Landmann (Leon Ullrich) ist auf eine Anekdote aus der DDR-Geschichte aufmerksam geworden, in die Hartung involviert war. 1984 soll er als Mitarbeiter der Reichsbahn eine S-Bahn durch eine falsche Weichenstellung bewusst nach West-Berlin umgeleitet haben, was den 127 Insassen des Zuges die Flucht in die BRD ermöglichte. Hartung will sich zunächst nicht zu dem Vorfall äußern, doch nachdem Landmann dem ständig klammen Hartung eine ganze Menge Geld geboten hat, lässt sich dieser vor dessen medialen Karren spannen. Innerhalb kürzester Zeit wird der Videothekar zum deutschen Helden, der sogar eingeladen wird, anlässlich des 30. Jahrestages des Mauerfalls vor dem Deutschen Bundestag zu sprechen. „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Maxim Leo aus dem Jahr 2022, und dennoch fragt man sich als Zuschauer des Films immer wieder, ob zumindest die Grundkonstellation der Ereignisse auf realen Vorkommnissen basiert. So geschickt hat Wolfgang Becker das Spiel um Wahrheit und Lüge aufgebaut, mit historischen Archivaufnahmen verquickt und in einen historischen Zusammenhang gebracht. Und damit unterstreicht er auf brillante Weise, worum es Leo in seinem Buch und ihm in seinem Film geht: um subjektive Geschichtsschreibung, um die Macht der Medien und um die Gutgläubigkeit der Massen. Dafür hat er vor der Kamera die Crème de la Crème hiesiger Filmstars versammelt, die mit sichtlicher Spielfreude an die wendungsreiche und mit vorzüglichen Dialogen und Gags versehene Geschichte herangegangen sind.
Charly Hübner ist am Montag, 15.12. um 17 Uhr zu Gast im Cinenova.
Rap-Star Yakoub „Yak“ (Kostja Ullmann) geht es schlecht: Der Erfolg, der Stress und der Druck des Managers setzen ihm zu. Dann erfährt er, dass sein Vater – zu dem er keinen Kontakt hat, seit dieser vor 30 Jahren nach Syrien zurückkehrte – in einem Kölner Krankenhaus im Koma liegt. Der Vater hat Yaks Halbschwester Latifa (Safinaz Sattar) aus Syrien mitgebracht, um die Yak sich nun kümmern muss. Er bricht von Berlin auf, plant, Latifa bei einem Freund unterzubringen, bis es dem Vater besser geht. Doch als dieser stirbt, sieht sich Yak mit Fragen über Familie, Zugehörigkeit und Herkunft konfrontiert. Bagdach, selbst mit syrischen Wurzeln, schildert in „Im Rosengarten“ einfühlsam und in poetischen Bildern Gefühle von Zerrissenheit und Heimatlosigkeit, wie sie viele Menschen mit Migrationsbiografie erleben.
Cesc Gays sympathischer kleiner Film „Ein Leben ohne Liebe ist möglich, aber sinnlos“ erinnert an Woody Allens Werke. Die 50-jährige Eva (Nora Navas) trifft auf einer Geschäftsreise den Drehbuchautor Alex (Rodrigo de la Serna), der bei ihr romantische Träume entfacht. Dieses schöne Gefühl, dieses Kribbeln im Bauch – das bei ihr nach 20 Ehejahren etwas verschütt gegangen ist. Dabei läuft es eigentlich ganz gut mit ihrem Mann. Doch zurück zu Hause beschließt Eva, Mann und Kids zu verlassen, um diesen neuen Gefühlen eine Chance zu geben. Es folgen witzige Gespräche mit Freund:innen, die Evas Entscheidung nicht verstehen, und eine Reihe von Dates, die mit Evas Fantasie nicht im Einklang stehen. Es stellt sich die Frage, ob Eva sich richtig entschieden hat. Navas spielt großartig überzeugend und vermittelt die Sehnsüchte dieser Frau glaubhaft.
Außerdem neu in den Kinos: der Western-Mix „Americana“ (Cinedom, UCI) von Tony Tost, das Thrillerdrama „Kein Weg zurück“ von Charlotte Sieling, das Fantasy-Sequel „Creation of the Gods II: Demon Force“ von Wuershan und das Hexenabenteuer „Bibi Blocksberg – Das große Hexentreffen“ (Cinedom, Cineplex, UCI, Weisshaus) von Gregor Schnitzler.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

„Man spürt den Theatermenschen“
Dirigent Daniel Johannes Mayr über die Bonner Wiederentdeckung der Oper „Die Ameise“ – Premiere 12/25
Armutszeugnis im Reichtum …
… und alternative Fakten im Wirtschaftssystem – Glosse
Bilder in Sorge
„Amazônia“ von Sebastião Salgado im Rautenstrauch-Joest-Museum – kunst & gut 12/25
„Je größer das Vermögen, desto geringer der Steuersatz“
Teil 1: Interview – Finanzwende-Referent Lukas Ott über Erbschaftssteuer und Vermögensungleichheit
Orgeltrio mit frischem Sound
„Deadeye“ im Kölner Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 12/25
„Stromberg hat Relevanz für die heutige Zeit“
Ralf Husmann über „Stromberg – Wieder alles wie immer“ – Gespräch zum Film 12/25
Bach mit E-Gitarre
Das Ensemble Resonanz in Köln und Dortmund – Klassik an der Ruhr 12/25
Der Staat will zuhören
Wandel im niederländischen Sozialsystem – Europa-Vorbild: Niederlande
„Beweise sichern für das, was afghanische Frauen durchmachen“
Sahra Mani über ihren Film „Bread & Roses: A Fight for Women's Rights“ - Portrait 12/25
Jenseits des Schönheitsdiktats
„Verehrung“ von Alice Urciuolo – Textwelten 12/25
Praktisch plötzlich doof sein
Helge Schneider präsentiert seine neue Tour – Prolog 12/25
Langfilmdebüt einer Schauspielerin
„Paternal Leave – Drei Tage Meer“ im Filmhaus – Foyer 12/25
Nicht die Mehrheit entscheidet
„Acht Jahreszeiten“ von Kathrine Nedrejord – Literatur 12/25
Liebe überwindet den Tod
„Orpheus und Eurydike“ am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 12/25
Tanz schärft die Sinne
IP Tanz feiert 30. Geburtstag – Tanz in NRW 12/25
Heldenspektakel
Männerrollen auf Leinwand – Vorspann 12/25
Gerechtigkeit wäre machbar
Teil 1: Leitartikel – Die Kluft zwischen Arm und Reich ließe sich leicht verringern – wenn die Politik wollte
Über zwei Ikonen
„Marlene Piaf“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 12/25
Feindbild Journalist
Online-Vortrag über Pressefreiheit – Spezial 11/25
Komplex und zugänglich
Jazzpianist Shai Maestro im Loch – Musik 11/25
So verwirrend wie das Leben
„Berlin Alexanderplatz“ am Schauspiel Köln – Prolog 11/25
Verlorene Jahre
„The Drop“ am Jungen Schauspiel in Düsseldorf – Prolog 11/25
Power Kid
„Aggie und der Geist“ von Matthew Forsythe – Vorlesung 11/25
Ein letzter Gruß
Das Hagen Quartett verabschiedet sich vom Kölner Publikum – Klassik am Rhein 11/25
Londoner Straßensoul
Joy Crookes in der Kölner Live Music Hall – Musik 11/25