Sind die fetten Jahre vorbei? Im Buchhandel sieht es jedenfalls so aus, die Umsätze sinken und dass Arnold Schwarzenegger, Daniela Katzenberger oder „Greggs Tagebuch“ mit ihren Umsätzen die absoluten Zahlen noch moderat halten, verschleiert nur die Krise. Auch das E-Book macht keine Anstalten, seiner allseits beschworenen Rolle als Branchenretter gerecht zu werden. Ein Bereich legt jedoch unaufhörlich zu, im letzten Jahr sogar stellenweise um sagenhafte 14 Prozent. Kochbücher erfreuen sich einer nie geahnten Beliebtheit. Das Fernsehen hilft, da es mit stereotyper Hartnäckigkeit auf Kochshows als Publikumsmagneten setzt. Fettburner sind offenbar out, tatsächlich ist erwiesen, dass fettarme Diäten depressiv machen und die Leute danach so viel Zucker zu sich nehmen, dass sie letztlich mehr zu- als abnehmen.
Insofern ist Jennifer McLagans Loblied auf die verrufene Ingredienz „Fett“ schon fast kein Skandal mehr. Die Australierin langt so richtig hin, preist das Geflügelfett, die Salzbutter-Tarte, die Linsen mit Foie gras, das Cassoulet, den Bretonischen Butterkuchen oder die Sandwiches mit geröstetem Speck. „Fett“ ist ein Kochbuch mit überraschenden Rezepten, die aber geradlinig und solide entwickelt sind, und es bietet überaus klug geschriebene Texte zu Butter, Schmalz und den Traditionen der fetten Küche. Eine Ehrenrettung, weil Fett nicht ungesund sein muss, Geschmack gibt und angesichts des krankhaften Schlankheitswahns der westlichen Welt eine lustvolle „Sünde“ darstellt. McLagan ist ein Buch gelungen, das es mit seinem Thema ernst meint, in dem man auch nach Jahren noch lesen wird, das mit praktischen Tipps nur so gefüttert ist und sich nicht im Lifestyle verliert. Denn spätestens seit dem Siegeszug von Jamie Oliver hat sich das Kochbuch als ein Medium etabliert, das zeigt, wie man leben und was man besitzen muss, um im wirklichen Leben angekommen zu sein. Doch wer kocht die komplexen Gerichte eines Johann Lafers nach? Ferran Adriàs Kunstwerke oder Dieter Müllers Meisterkreationen, niemand versucht sich daran, aber es ist beruhigend, sie im Bücherregal stehen zu haben. Der Umsatz der Kochbücher steigt, der Umsatz der Schnellrestaurants auch. Was brauche ich noch zu kochen, ich habe doch die Bilder, perfekt arrangierte Verlockungen für das Auge – eine Pseudo-Realität.
Ein Held, wer da noch selbst kocht und dann – wie es jedem Helden gebührt – die Einsamkeit meistert, Teller und Töpfe zu spülen. Von Besonderem will erzählt werden, deshalb fordert Angelo Menta: „Koche nichts, wozu es keine Story gibt“. Der Titel seines Kochbuchs „Die letzten Heldentaten am Herd“ klingt nach Hemingway, bietet aber einen faszinierenden Blick in bodenständige Rezepte wie selbstgemachte Curry-Wurst, Kalbsbäckchen, Gyros oder eine schnelle Forellenterrine. Ohne eine Prise rustikalen Lifestyle geht es auch hier nicht, wie die prächtigen Fotos des Kölner Fotografen Klaus Arras verraten. Aber das ist ein Buch zum Ausprobieren, rustikal und doch fantasievoll und so, dass niemand entmutigt wird. Ein Buch für Männer und Frauen, die es herzhaft mögen und in dem freundlich erzählt wird. Zwei Kochbücher, die auf sympathische Weise mit Erfahrung gesättigt sind und so runde Rezepte enthalten, dass man sie leicht nachkocht und irgendwann vergessen hat, dass sie aus einem Buch stammen.
Jennifer McLagan/Leigh Beisch:Fett. Loblied auf eine verrufene Ingredienz | Rotpunktverlag | 242 S., 44 Euro
Angelo Menta/Klaus Arras:Die letzten Heldentaten am Herd| Becker Joest Volk Verlag | 192 S., 28 Euro
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