Dieses Buch kann man von vorne und von hinten lesen. Es erzählt von einem Liebespaar, Sam und Haley, die im Auto durch die USA brausen. Zwei Teenager, zwei Götter, zwei Angeber, großspurig pflegen sie ihren Narzissmus und kommen sich doch näher. Es wird viel geliebt, geflucht und zugleich liegt eine paradiesische Unschuld über den beiden. Ein archaisches Paar, das die irdische Schöpfung mit ihrer prachtvollen Flora und Fauna mit der benzinduftenden Moderne verbindet. Der Amerikaner Mark Z. Danielewski hat „Only Revolutions“ für zwei Stimmen geschrieben. Jede Szene kann man aus männlicher und aus weiblicher Perspektive lesen und sich dabei an der deutschsprachigen Nachdichtung des Ehepaars Gerhard Falkner und Nora Matocza erfreuen.
Ein Schlüssel zum Werk des Amerikaners, der mit seinem Roman „Das Haus – House of Leaves“ einen Bestseller für eine inzwischen weltumspannende Jugendgemeinde schrieb, liegt in seiner Familie. Danielewski ist in New York geboren, sein Vater kam aus Polen. Auch wenn Danielewski sein Liebespaar durch die Weiten des Westens schickt, so sind doch viele Anekdoten von der eigenen Familiengeschichte inspiriert. Der Vater, Filmemacher Tad Danielewski, der 1963 mit einem seiner Filme in Berlin den Silbernen Bären gewann, spielt auch in anderer Weise eine wichtige Rolle im Werk des Sohnes. Denn er weihte ihn in die Geheimnisse der Montage ein. Tatsächlich beziehen die Prosa-Gesänge von Mark Danielewski, um die sich in den USA einer Kultgemeinde schart – eine junge Frau hat sich die erste Seite des Buches elegant auf den Körper tätowieren lassen – ihren Reiz aus dem raffinierten Rhythmus der lyrischen Wortbilder. Danielewski hat der Jugend des Westens eine Art literarische Sehnsuchtsinsel geschaffen, auf der sich Träume, Lüste und eine Art spöttische Geschichtsbetrachtung temperamentvoll entfalten. Ein Buch, das nicht alleine in Satz und Herstellung von außerordentlicher Schönheit ist, sondern auch eines, in das sich leidenschaftliche Leser über Wochen verbeißen können.
Mark Z. Danielewski: Only Revolutions. Deutsch von Gerhard Falkner und Nora Matocza. Tropen bei Klett-Cotta, 365 S., 24,95 €
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