Thierry Smolderen hat sich für „McCay“ mit dem Illustrator Jean-Philippe Bramanti zusammengetan, der die Mischung aus Biografie, Fantasy und tödlichem Thriller in düstere, kontrastreiche Zeichnungen taucht. Eine Parabel über die Imaginationskraft von Künstlern – und Kindern. Leser, die sich vor allem biografische Erkenntnisse erhoffen, werden sich im Mystery-Dickicht leicht verlieren, alle anderen werden ihren Spaß haben (Carlsen). Für Erstere erschien 2014 beim Taschen Verlag das ultimative Buch über Winsor McCay: überformatig, mehrere Kilo schwer und neben dem kompletten Hauptwerk „Little Nemo“ begleitet von einem ausführlichen, 150-seitigen Text von Alexander Braun.
In ähnlicher Aufmachung erscheint nun von Braun ein Ziegelstein über „Krazy Kat“ von George Herriman, der auch in „McCay“ einen Kurzauftritt hat. Ziegelstein passt, enthält der Band doch sämtliche farbigen Sonntagsseiten der minimalistischen, surrealen Serie von 1935 bis 1944, die meist mit dem Ziegelsteinwurf einer linkischen Maus an den Kopf der naiv-lieben Katze enden. Künstler wie Picasso verehrten die Serie für ihre intellektuellen Anspielungen, logischen Widersprüche und künstlerischen Freiheiten. Auch hier ist ein ultimatives Kompendium zu Herriman und „Krazy Kat“ gelungen (Hardcover, 632 Seiten, farbig, Taschen Verlag).
Thomas Bernhards Sprache ist kantig, von Wiederholung und Variation durchdrungen, dabei sehr präzise. Lukas Kummer hat sich nach seinem erschütternden Debüt „Die Verwerfung“ über den Dreißigjährigen Krieg an eine Adaption von Bernhards autobiografischen Schriften gemacht. „Die Ursache“ erschien bereits im letzten Jahr, nun schließt sich „Im Keller“ an. Bernhardts „Die Ursache“ erzählt von seiner beinahe Zerstörung im Nazi-Internat, die sich nach dem Krieg durch die katholische Kirche fortsetzt. „Der Keller“ ist eine Befreiung: Er entsagt dem Gymnasium und tritt eine kaufmännische Lehre in einem elenden Viertel an. Alles ist besser als die vermeintlich bürgerliche Gesellschaft, aus der er kommt. Kummer hat einen sehr klaren, kühlen Zeichenstil, die häufige Wiederholung nur leicht modifizierter Panels entspricht exakt dem sprachlichen System Bernhardts (Residenz Verlag).
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