Am 13. März 2020 war Schluss! Alle Clubs – ob für Konzerte oder Tanz – mussten pandemiebedingt schließen, und zwar, anders als Gastronomie, Geschäfte oder bestuhlte Kulturstätten, durchgehend über die zurückliegenden 18 Monate. „Man stand erstmal vor dem Nichts“, erinnert sich Jan van Weegen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Klubkomm, dem Interessenverband Kölner Clubs und Veranstalter und außerdem Mitbetreiber des Gebäude 9. „Von einem auf den anderen Tag brach die komplette Grundlage weg, wirtschaftlich arbeiten zu können und es war schnell klar: Wenn nicht öffentliche Transferleistungen fließen, ist das das Ende für die gesamte Clubszene“.
„Die Stadt Köln war eine der ersten deutschen Großstädte, die schon im April 2020 eigene Förderprogramme auf kommunaler Ebene umgesetzt hat“, erinnert sich Till Kniola, Referent für Popkultur und Filmkultur im Kulturamt der Stadt Köln. „Wir haben dann entschieden, die Förderverfahren für Veranstalter zu flexibilisieren“. So wurde neben viel Beratung und kleinteiliger Unterstützung ermöglicht, Fördergelder anders als geplant auszugeben, wenn sich Zeiten, Inhalte oder Orte der Projekte geändert hatten. Für die Szene gab es laut Kniola zwar immer wieder Engpässe zwischen der finanziellen Unterstützung durch Bund, Länder und Stadt, die „die Clubbetreiber ins Schwitzen brachten“, aber das vorläufige Resümee von van Weegen lautet nach eineinhalb Jahren: „Das befürchtete Clubsterben ist ausgeblieben, die Struktur konnte erhalten bleiben und alle wollen jetzt weiter machen.“
Kein Club musste Insolvenz anmelden, und tatsächlich haben einige Clubs jetzt sogar bessere Voraussetzungen, weil sie nun, wenn die eigenen finanziellen Mittel dies zuließen, mit Hilfe von Fördermitteln in Lärmschutz, in essentielle Lüftungsanlagen oder andere Verbesserungen investieren können. Nachdem im Sommer mit viel Kreativität und in enger Zusammenarbeit mit der Stadt einige Open Air-Veranstaltungen – in Außenflächen der Clubs, Grünflächen, fahrenden Bussen oder gar Schiffen, als Picknick-Konzert oder Tanzdemo – durchgeführt werden konnten, kam die grundsätzliche Möglichkeit, den Betrieb im September im Rahmen der 2G- und 3G-Regeln wieder zu starten, für die meisten Clubs und Veranstalter überraschend kurzfristig.
„Am einfachsten wären natürlich bestuhlte Konzerte, aber in vielen Clubs funktioniert das weder von der Wirtschaftlichkeit her, noch vom Ambiente“, so Till Kniola. Und logistische Probleme gibt es außerdem.
„In den Betrieben ist man schon rein personell sehr heruntergefahren. Veranstaltungstechniker, Theken- und Garderobenpersonal u.a. sind so plötzlich nicht sofort verfügbar, teilweise müssen ganze Teams neu akquiriert werden“, weiß van Weegen.
Zusätzliche Probleme ergeben sich beim Thema Booking, wo man üblicherweise viele Monate im Voraus plant. „Internationale Acts wurden längst gecancelt, weil niemand daran geglaubt hat, dass die Konzerte stattfinden könnten. Aber die Regeln sind ja nicht nur welt- oder europaweit unterschiedlich, sondern auch in den Bundesländern, sodass man als Künstler nicht einfach eine internationale, aber auch nur schwerlich eine nationale Tournee planen kann. Vor so einem Flickenteppich schrecken viele zurück, weil das kaum planbar und am Ende, je nach aktueller Regelung, vielleicht nicht mal wirtschaftlich rentabel ist“, so van Weegen.
Trotzdem: Nach recht löchrigen Monatsprogrammen im September sind die Veranstaltungskalender im Oktober wieder voll. Der Blick zurück zeigt, so Till Kniola, dass „die gesamte Clubszene die gesundheitlichen Maßnahmen mitgetragen hat und sehr solidarisch war, obwohl sie – und das gilt immer noch – mit am härtesten betroffen war.“ Hoffen wir, dass das Publikum nun ein wenig Solidarität zurückgibt und die vielen Angebote nutzt.
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