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Die Londoner Punkband Shame im Gebäude 9
Foto: Dora Cohnen

Neue Lieblingsbands

16. Januar 2017

„Cardinal Sessions“-Festival im Gebäude 9 mit Bands wie Shame – Konzert 01/17

Das Gebäude 9 kann man wohl am besten anhand seiner Toiletten beschreiben. Ein bisschen abgeranzt und beklebt voller spannender Sticker und Plakate, bietet die Venue Künstlern ein alternatives Publikum – ohne sich verstellen zu müssen. Kunststudenten, mittelalte Musikliebhaber und Vertreter der tumblr-Generation kommen aus ihren Wohnzimmern, um im Gebäude 9 mit abwechslungsreichem Musikprogramm verwöhnt zu werden. „Das Gebäude 9 ist die einzige Location, die in Köln für unser Festival in Frage kommt”, erklären Lenny und Timo, die Veranstalter von Cardinal Sessions, dem Festival, das am Samstag nun zum vierten Mal stattfand: „Draußen haben wir genug Platz, um Leute zu beherbergen, drinnen haben wir zwei Bühnen. Und das Publikum hier ist mit Abstand das beste in Köln.”

Ein großes musikalisches Spektrum wurde angeboten. Dabei ginge es laut den Veranstaltern nicht darum, was „Angesagtes auf Beine zu stellen”, sondern ihre neuen Lieblingsbands vorzustellen. Kein Larifari-Indie-Geplänkel. Vom Grunge von Kagoule, zum kraftvollen Indie-Rock der Kölner Band Sparkling, über den gefühlvollen Blues von Dan Howls, wiederum zum wilden Punk der Londoner Shame und kurz darauf den ruhigen Singer-Songwriter Matt Maltese, über melodischen Pop von Giant Rooks und der elektronischen Musik von Moglii und Novaa bis hin zum lauten Pop Punk von Sløtface wurde ein großes Sammelsurium präsentiert. Das kann kompliziert werden, denn Cardinal Sessions ist vor allem als YouTube-Kanal für Akustikperformances bekannt: „Viele Zuschauer kommen mit einer gewissen Erwartungshaltung zu uns. Sie wollen Bands akustisch sehen. Aber das passiert so nicht. Damit wollen wir ein bisschen spielen“, sagt Timo.


Sløtface, Foto: Presse

„Wir wollen, dass sich Menschen, die sich vorher einen sehr ruhigen Menschen angeguckt haben, eine sehr laute Band angucken und allen mit der gleichen Offenheit gegenübertreten”, fügt Lenny hinzu. So zog das Publikum des ausverkauften Festivals für die ruhigeren Singer-Songwriter zu der kleinen Bühne an der Bar und für die lauteren Acts zur großen Bühne – was mitunter sehr eng werden konnte. Einige flohen dann nach draußen, in den Hof, wo selbstgemachte Waffeln und Glühwein angeboten wurden.

Das Festival strahlt eine sehr familiäre Stimmung aus. Es wurde in kleinem Rahmen gestaltet, wodurch die Musiker eng miteinander Zeit verbrachten und mit den Gästen mitfeierten. Diese wussten anfangs meist noch nicht, was sie von den vordergründig unbekannten Bands erwarten sollen und fingen in ihrer positiven Überraschung im Laufe des Abends immer wieder enthusiastische Gespräche an. Durch die geteilte Freude an der Musik wurde immer heftiger bis tief in die Nacht getanzt.

Vom Abend erhofften sich die Veranstalter, „dass jeder mit einer neuen Band nach Hause geht.” Für viele der Zuschauer war diese Band sicherlich Shame, die sich mit ihrem Punk-Auftritt in die Erinnerung einbrannte. Charlie, der Leadsänger, begrüßte das Publikum erst einmal, indem er auf es spuckte. Er sang sich später so in Rage und verschüttete so viel Bier, dass er sein Hemd auszog, während der Bassist in seinem Rausch mehrfach auf den Boden fiel.

„Wir sind Pazifisten”, stellen die fünf Südlondoner Jugendlichen als allererstes klar. „Wir sind nur sauer über die aktuelle politische Lage, die Wirtschaft und die Situation in London. Gerade sitzen wir gegenüber Kunstateliers, in London wären das bereits Luxusapartments.“  – „It's a bit of a sham“ (dt. Heuchelei), fügt ein anderer hinzu: „Es ist nichts Außergewöhnliches daran, dass wir blöd finden, dass so viel Scheiße passiert, wir bringen es nur anders herüber. Und das macht die Shows auch lustig.“

Mit Lyrics wie „I don't wanna be heard if you're the only one listening“ und „So you can sing along to the four-chord-future / Is that's what we want? Something we can touch, something we can feel / Something relatable, not debatable” („The Lick“) stellen sich die Band Narzissmus und der mp3-Downloadkultur – sehr aktuellen Themen, wenngleich auch Assoziationen von 80er-Punkbands mitschwingen. „Ach, das sind nur die Klamotten”, meint Sean, einer der Gitarristen: „Wir ziehen nur das an, was andere Leute wegwerfen. Wir haben kein Geld für Kleidung.” – „Wir holen schon ein bisschen Inspiration von damals. Es schien wie heute eine sehr verwirrte Zeit zu sein”, entgegnet Eddie, der andere Gitarrist. Sie sind sich jedoch alle einig, dass es eine gute Zeit für junge Musiker ist: „Bands sind aufgeregt über neue Musik. Fans sind aufgeregt über neue Musik. Es ist eine Aufwärtsspirale. Wir sind als ‚X-Factor‘-Generation aufgewachsen mit vielen Bands, die künstlich fabriziert sind. Wir glauben aber nicht daran, dass unser Publikum blöd ist. Die Menschen werden müde und krank, wenn sie immer dasselbe hören.“

Dora Cohnen

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