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Heimo Zobernig, Ausstellungsansicht Museum Ludwig, Aristide Maillol, Badende, 1925, Bronze © VG Bild-Kunst, Bonn
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken

Schwarz und Skulptur

31. März 2016

Heimo Zobernig im Museum Ludwig – kunst & gut 04/16

Heimo Zobernig hat es vorgemacht. Der 1958 geborene, in Wien lebende Künstler mit documenta- und Biennale-Erfahrung hat mit simplen, radikalen Hinzufügungen zuletzt den österreichischen Pavillon der Biennale Venedig und das Kunsthaus Bregenz grundlegend verändert. Material ist Karton, welcher mit Holz unterfüttert ist. Schwarz gestrichen und lackiert, glänzt die Oberfläche stark. In Venedig nahmen monumentale Raumkörper das architektonische Maß auf. In Bregenz hingen sie als schwere Masse von der Decke.

Nun also Köln, das Museum Ludwig, und wieder ist alles anders. Hier kam für Zobernig zur architektonischen Vorgabe der Grafischen Sammlung im ersten Obergeschoss die Herausforderung hinzu, das Museum als Institution des Sammelns und Präsentierens zu thematisieren. Er hat seine Biennale-Intervention rekonstruiert und vom Boden ausgehend in die Räume eingepasst. Diese wirken wie umgestülpt, sie müssen separat begangen werden. Die schwarzen Flächen und konstruktiven Körper sind Architektur in der Architektur und dienen teilweise als „Sockel“ für Skulpturen aus dem Bestand des Museums. Schwarze Wände ragen mannshoch auf und verengen sich als Passage für einen Augenblick ins Klaustrophobische (vielleicht ein bisschen wie Installationen von Gereon Schneider oder Wolfgang Laib). Die Sackgassen lassen Räume „dahinter“ ahnen: Wie über einer Mauer sind lediglich die hell strahlenden Lichtröhren an der Decke zu sehen und werden hier überhaupt erst bewusst. Im zweiten, größeren Raum stoßen wir auf eine Skulptur von César, dahinter sind Blöcke zu erkennen, die zwischen zwei Wände gespannt sind, dahinter wiederum öffnet sich der Raum: unbegehbar. Gewiss spielt eine feine Ironie mit, wenn Zobernig im anderen Raum die Risse einer kugelförmigen Skulptur von Lucio Fontana als Dellen auf der schwarzen Wand „spiegelt“ und diese mit Schnitten quasi zur Durchgangstür (und andernorts zum Notausgang) erweitert. Diese ist natürlich verschlossen, schon deshalb, weil wir die glänzende Oberfläche nicht berühren dürfen.

Die Laufverweigerung geht jedoch mit der Seh-Erweiterung einher. Die niedrigen Sockelflächen bilden ein Feld, das an eine Bühne erinnert. Darauf „schwimmen“ die Skulpturen – sämtlich „klassische“ oder „halbklassische“ Postionen – und sind je nach Standort von nahem oder nur aus der Distanz zu sehen. Die Spiegelung lässt die Skulpturen sozusagen in die Tiefe wachsen, zugleich wirken die Schnitte, die den Aufbau als profanes Baukastensystem erkennen lassen, als Kommentar zur ästhetischen Überhöhung durch den Dialog von Schwarz und Weiß. Und wenn man das Spiel so weit treiben möchte, dann stellen sich skulpturale Paare ein: Der Design-Stuhl, den Isa Genzken adaptiert hat, korrespondiert mit Claes Oldenburgs „Soft Washstand“ und Picassos Eule mit Uhlmanns Vogel. (Schauen sich die beiden, fast zeitgleich entstandenen Skulpturen nicht auch an?) Renée Sintenis‘ verzückt aufsteigende „Daphne“ wirkt wie die Umkehrung der erdverbundenen, ebenfalls fast zeitgleichen „Badenden“ von Maillol, wobei man die beiden Figuren gerade nicht gleichzeitig sehen kann. Dies funktioniert dann im Nebenraum mit Marino Marinis Pferd mit Reiter und der schründigen, hier wie abgestellten Kugel von Fontana, die in ihrer Expressivität eine geistige Zerrissenheit zum Ausdruck bringt: Genau darum ging es Marini auch bei seinen Reiterdarstellungen. Deutlich wird, wie präzise Zobernig die Skulpturen ausgewählt hat und mittels der Präsentation interpretiert. Bliebe die „Compression“ von César: Sie wirkt wie die Umkehrung der ausgreifenden schwarzen Blöcke von Zobernig. – Und warum das hier so detailliert geschildert wird? Weil das eigentliche Seherlebnis – und damit das Geheimnis dieser punktgenauen Intervention – doch nur vor Ort und im Laufen erfahren werden kann. Großartig!

„Heimo Zobernig – Hier und Jetzt“ | bis 22.5. | Museum Ludwig | 0221 22 12 61 65

THOMAS HIRSCH

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