Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Ronja von Rönne
Foto: Mehran Djojan

Roadtrip ins Ende

02. Mai 2022

„Ende in Sicht“ von Ronja von Rönne – Klartext 05/22

Juli ist 15 und möchte sterben. Die Jugendliche steht auf einer Grünbrücke, einer bewachsenen Autobahnbrücke für Wildtiere. Eigentlich ist diese Brücke zum sicheren Überqueren der Fahrbahn für Rehe und Wildschweine gedacht. Juli möchte sich hier in den Tod stürzen. Und sie springt – direkt vor die Motorhaube von Hellas Passat. Hella ist Seniorin, ehemalige Schlagersängerin und auf dem Weg in die Schweiz, genauer gesagt in ein Sterbehospiz in Zürich. Damit beginnt Ronja von Rönnes Roman „Ende in Sicht“ (dtv) und zugleich der Roadtrip des ungleichen Paares, das wenig verbindet – außer dem Wunsch zu sterben. Beide stehen an ganz unterschiedlichen Lebensabschnitten: Wieso wollen die Figuren ihrem Leben aktiv ein Ende setzen?

„Warum weitermachen wollen in einer Welt, in der es eigentlich niemand interessierte, ob man weitermachte“, denkt Juli an einem Punkt des Trips. Beide Figuren sind eher Alleingängerinnen und vor allem frustriert vom Leben. Hella hat auch die letzte Aktivität verloren, die ihr Freude bereitet hat: Nach einem vergeigten Auftritt will sie nicht mehr performen. Der Ex-Popstar mit lila Haaren hat keine Tagesstruktur, nichts worauf sie sich freut und fälscht letztendlich ärztliche Atteste, um Freitodhilfe gestattet zu bekommen. Das Leben kann Hella nichts mehr bieten – das denkt auch die viel jüngere Juli. Auch wenn es nie konkret benannt wird, verkörpern die beiden die Auswirkungen von schweren Depressionen: Geliebte Aktivitäten machen keine Freude mehr, nichts treibt sie noch an und die Zukunft scheint aussichtslos. Ronja von Rönne geht mit ihrer eigenen Erkrankung sehr ehrlich um, auch um das Thema zu entstigmatisieren. Denn jedes Jahr erkranken rund 5 Millionen Menschen in Deutschland an Depressionen. Diese können einige Wochen oder sogar Jahre dauern. Von Rönne schreibt in ihrer Danksagung, das Buch sei „nicht wegen, sondern trotz dieser Scheißkrankheit entstanden“ und sagt auch, dass niemand Depressionen aushalten müsse, dass es Hilfe gebe.

Die Charaktere ihres Buches finden schließlich ineinander Hilfe – auch wenn sie sich anfangs nicht mal mögen. Trotz schwerer Thematik findet von Rönne kuriose Momente mit exzentrischen Figuren, die mehr Facetten zeigen als nur ihre Krankheit.

Ronja von Rönne: Ende in Sicht | dtv | 256 S. | 22 €

Katja Egler

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Civil War

Lesen Sie dazu auch:

Grenzen überwinden
„Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ von Uticha Marmon – Vorlesung 04/24

Zwangloses Genießen?
Vortrag „Die post-ödipale Gesellschaft“ im Raum für Alle – Spezial 04/24

Für Kinder und Junggebliebene
Gratis Kids Comic Tag 2024

Erwachsen werden
„Paare: Eine Liebesgeschichte“ von Maggie Millner – Textwelten 04/24

Tradition verbindet
„Shakespeare Festival“ am Globe Theater Neuss

Wortspielspaß und Sprachsensibilität
Rebecca Guggers und Simon Röthlisbergers „Der Wortschatz“ – Vorlesung 03/24

Lebensfreunde wiederfinden
„Ich mach dich froh!“ von Corrinne Averiss und Isabelle Follath – Vorlesung 03/24

Das alles ist uns ganz nah
„Spur und Abweg“ von Kurt Tallert – Textwelten 03/24

Wut ist gut
„Warum ich Feministin bin“ von Chimamanda Ngozi Adichie – Vorlesung 03/24

Unschuldig bis zum Beweis der Schuld
„Der war’s“ von Juli Zeh und Elisa Hoven – Vorlesung 02/24

Das Drama der Frau um die 50
„So wie du mich willst“ von Camille Laurens – Textwelten 02/24

Umgang mit Krebserkrankungen
„Wie ist das mit dem Krebs?“ von Sarah Herlofsen und Dagmar Geisler – Vorlesung 01/24

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!