„Alles bestens“ – das ist der Titel des neuen Romans von Yael Hedaya. „Alles bestens“ sagt man so, um nicht sagen zu müssen, wie es wirklich um einen steht. Der Alltag ist ja auch kompliziert genug, und von großen Gefühlen kann in abgeklärten Zeiten auch keine Rede sein. Maja hat Nathan auf einer Party kennengelernt. Weil es sich zufällig so ergibt, fährt sie ihn im Auto nach Hause. Nichts Besonderes, aber sie muss ihn doch immer wieder anrufen, dann fährt sie bei ihm vorbei, und die beiden landen im Bett. Morgens bringt sie Nathan mit dem Auto zu seiner Arbeit in eine Gärtnerei. Alles irgendwie Routine, und trotzdem macht sich da unbemerkt jenes Gefühl breit, das man Glück nennt. Irgendwann lässt es sich nicht mehr aus der Welt reden, als Maja bemerkt, wie viel Spaß ihr der Sex mit Nathan macht, und dass sich beide gerne in der Gesellschaft des anderen aufhalten.
Anders als Majas Eltern, die 30 Jahre zusammenleben und sich nun scheiden lassen. Zwei Generationen, zwei Perspektiven auf jene Momente, in denen Liebesgeschichten beginnen und scheinbar enden. Yael Hedaya wechselt in ihrem Roman „Alles bestens“ ständig zwischen diesen beiden Welten. Wobei Maja mit Blick auf ihre Eltern trocken konstatiert, dass sich die Alten im Grunde noch kapriziöser als die Jungen verhalten. Die Israelin versteht sich auf knappe Dialoge und auf Figurenentwürfe; mit wenigen Strichen zeichnet sie ganze Charaktere. Von ihr stammen die Skripte zur israelischen Fernsehserie „Be Tipul“, die in den USA unter dem Titel „In Treatment“ adaptiert wurde. Ein Meisterwerk der Dialogkunst, wie man es auf den Bühnen unserer Theater vergeblich sucht.
„Alles bestens“ kommt leicht daher, weil Maja, die Erzählerin, einen erfrischend sachlichen Blick für die eigenen Schwächen und die Schrullen ihrer Mitmenschen besitzt. Eines Tages steht sie ohne vorherigen Anruf bei Nathan vor der Türe und lernt bei dieser Gelegenheit Sigall kennen, deren kleiner Busen sie neidisch macht. Immer fair bleiben, das ist Majas Devise, und trotzdem kriselt es nun zwischen ihr und Nathan. Yael Hedaya schreibt direkter, lockerer und unsentimentaler als ihre israelische Kollegin Zeruya Shalev. Trotzdem gerinnen ihre Geschichten nicht zu handlichen Pointen. „Alles bestens“ zeigt denn auch, dass sich Beziehungen nicht einfach beenden lassen, sie wirken weiter, verlassen einen nie wirklich und besitzen daher ein Moment, das ihnen eine unsterbliche Dimension verleiht. So kann der Roman mit der Trennungssequenz von Maja und Nathan beginnen und dann doch Schritt um Schritt tiefer in das Dickicht der Gefühle eindringen. Es macht Spaß, zu beobachten, wie andere mit diesem „crazy thing called love“ umgehen, wie es ihnen Lust und Qualen bereitet, wenn die Erzählerin mit so viel aufrichtigem Humor ausgestattet ist wie Yael Hedaya.
Yael Hedaya: Alles bestens | aus dem Hebräischen von Ruth Melcer | Diogenes Verlag | 160 S., 12,90 Euro
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