Ob eine Sache gut ist, spürt man manchmal daran, dass sie sich gut anfühlt. Würde doch jeder Alltagsgegenstand mit soviel Geschmack und Sorgfalt hergestellt, wie dieser erste Band der neuen Edition 5 Plus. Schlank und leicht liegt er in der Hand, unter den Fingerspitzen fühlt man die geprägte Schrift und das Papier mit seinem feinen Waffelmuster. Auf dem Titel steht „Cowboys und Indianer“ und es handelt sich um eine Erzählung des Amerikaners Louis Begley. Mit ihr setzen fünf der besten Buchhandlungen Deutschlands ein Zeichen gegen das Gejammer der Branche über sinkende Verkäufe, lieblos gemachte Bücher, übermächtige Buchhandelsketten und den Abgesang der Buchkultur durch die elektronischen Medien. „Die Zeit, in der sich die Buchhändler versteckt haben, muss jetzt einmal vorbei sein. Wir wollen den Kollegen Mut machen, dass sie nicht einfach auf den schon so oft vorhergesagten Gnadenstoß warten, sondern selbstbewusster auftreten und sich daran erinnern, dass sie mit der schönsten Ware handeln, die es gibt“, meint Klaus Bittner.
Gemeinsam mit dem Kölner Buchhändler haben sich aus Hamburg die Buchhandlung Felix Jud, die Autorenbuchhandlung Berlin, die Buchhandlung Lehmkuhl aus München und die Buchhandlung zum Wetzstein in Freiburg gesagt: „Packen wir's an“. Nachdem sich die Feuilletons ein Jahr über das E-Book ausgelassen haben, kann jetzt wieder gelesen werden. Das ist die Botschaft, und die kommt nicht nur in klassisch-eleganter Aufmachung daher, sondern auch mit genau jenem Aroma dezenter Erotik, das so intelligent und belebend wirkt, dass man einfach mehr davon haben will. Begleys Geschichte erzählt von einem Schriftsteller, der sich an seine Jugendliebe zur Ehefrau eines älteren Freundes erinnert. Bei einem harmlosen Versteckspiel im Wald wirft er zufällig einen Blick auf ihre entblößten Brüste, ein Moment, der alles, was danach geschieht, in einem anderen Licht erscheinen lässt. Es ist ein zarter Text, eine Fingerübung, deren Leichtigkeit allerdings die Hand eines erfahrenen Erzählers verrät. Neben dem Buch versuchen die fünf Buchhändler, die sich programmatisch 5 Plus nennen, mit einem kleinen Literaturmagazin nachzulegen, das Leseempfehlungen, ein Interview mit dem Verleger Michael Naumann, ein Portrait des Wallstein Verlags und einen Essay von Rainer Groothuis über die Gestaltung schöner Bücher enthält. Außerdem liest Louis Begley in jeder der Buchhandlungen. Er war sofort für das Projekt gewonnen, sieht er doch mit Zorn, wie in New York die unabhängigen Verlage und Buchhandlungen gnadenlos verschwinden.
Mit dieser vielversprechend beginnenden Edition zeigen die fünf, dass Literatur etwas mit Lust zu tun hat, und dass man für die Kultur kämpfen muss, wenn man nicht in der Flut der Unterhaltungsprodukte untergehen will. Es lohnt sich, und es funktioniert.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
„Schon immer für alle offen“
Marie Foulis von der Schreibwerkstatt Köln über den Umzug der Lesereihe Mit anderen Worten – Interview 03/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25
Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25
Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
„Afrika ist mehr als Hunger und Krieg“
Autor und Influencer Stève Hiobi über sein Buch „All about Africa“ – Interview 02/25
Zwei Freunde
„Am Ende der Welt“ von Anna Desnitskaya – Vorlesung 02/25
Internationales ABC
„A wie Biene“ von Ellen Heck – Vorlesung 02/25
Schrecklich komisch
Tove Ditlevsens Roman „Vilhelms Zimmer“ – Textwelten 02/25
Wem gehört Anne Frank?
„Immer wenn ich dieses Lied höre“ von Lola Lafon – Literatur 02/25
Aufwändige Abschlüsse
Comics, die spannend Geschichten zu Ende bringen – ComicKultur 02/25
Unsichtbare Krankheiten
„Gibt es Pflaster für die Seele?“ von Dagmar Geisler – Vorlesung 01/25
Mit KI aus der Zwangslage
„Täuschend echt“ von Charles Lewinsky – Literatur 01/25
Gespräch über die Liebe
„In einem Zug“ von Daniel Glattauer – Textwelten 01/25
Massenhaft Meisterschaft
Neue Comics von alten Hasen – ComicKultur 01/25
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24