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Skizze aus John Bergers neuestem Buch
Foto: © John Berger

Eine Zeichnung fahren

04. März 2013

John Berger über Spinoza, Motorradfahren, Erzählen und Beobachten – Literatur 03/13

Er hat Essays über Rembrandt, August Sander, Giacometti oder Henri Cartier-Bresson geschrieben, die sich wie Erzählungen lesen. In der Welt des John Berger ist nichts eindimensional, stets hört man in seinen Texten, wie die Stimme des gebürtigen Engländers, der den größten Teil seines Lebens in Frankreich verbracht hat, nach dem forscht, was sich hinter den Erscheinungen dieser Welt verbirgt. Den Gesetzen des Lebens bleibt er auf der Spur. Daher wundert es nicht, dass ihn sein Weg zu Baruch de Spinoza führte, dem begnadeten Philosophen jüdisch-portugiesischer Abstammung, der im 17. Jahrhundert in Amsterdam, wenige Straßen von Rembrandt entfernt, seinen Lebensunterhalt als Linsenschleifer verdiente.

Spinoza rückte den Körper ins Zentrum seiner Welterfahrung und verstand die Transzendenz als ein höchst irdisches Phänomen, dessen man über der Arbeit ansichtig wird. Aus dem Weg, den wir beschreiten, entwickelt sich unser Ziel. Eine Überzeugung, die Berger in seinem neuen Wunderwerk der Erzählkunst, das den Titel „Bentos Skizzenbuch“ trägt, in unsere Tage hinüber transportiert. Spinoza soll ein Skizzenbuch geführt haben, das verschollen ist. Berger erfindet es neu mit seinen eigenen Zeichnungen und Texten, zwischen denen Spinoza-Zitate eingelassen sind. Ein außergewöhnlich schönes Buch ist dem Hanser Verlag damit gelungen, das mit seinem bedruckten Leinen gut in der Hand liegt und schon in seiner Gestalt Bergers zentrales Sujet anklingen lässt.

Zeichnen ist wie Motorradfahren, erklärt der Engländer. So wie man auf zwei Rädern den Straßenbelag abfühlt, wie man das Gewicht verlagert, so ertastet auch der Stift das Papier und zieht die Kontur. Ja, alles, worauf Berger seine Aufmerksamkeit richtet, beginnt unter seinem Blick zu sprechen. Nicht nur das Zeichnen, auch das Erzählen versteht man nach der Lektüre dieses Buches auf eine andere Weise. Texte von Berger enthalten unmittelbare Erfahrungssubstanz; hat man sie gelesen, verändert man sich unweigerlich. „Ich wollte über unseren Blick auf die Welt schreiben; es geht darum, die Menschen zu überzeugen, dass sie genau hinschauen und sehen, was uns umgibt, das Schöne wie das Schreckliche“, sagt Berger. Ein Unterfangen, das ihm gelungen ist. Was kann man sich mehr von einem Buch wünschen?

John Berger: Bentos Skizzenbuch | Deutsch von Hans Jürgen Balmes | Hanser Verlag | 176 S., 19,90 Euro

Thomas Linden

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