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Austin Wright
Foto: © A. Wright

Dunkles Juwel

11. Juli 2012

Mit Austin Wright wird ein großartiger Romancier entdeckt - Literatur 07/12

Das Paket kommt wie eine schlummernde Bombe ins Haus. Susan Morrow erhält es an einem Herbstmorgen von Edward, ihrem Ex-Ehemann, es enthält dessen neuen Roman. Zunächst lässt Susan das Manuskript einige Wochen liegen, dann beginnt sie zu lesen. Und wie von einer unsichtbaren Hand gepackt, wird sie in die Geschichte um Tony Hastings, des Universitätsdozenten, der mit seiner Familie in die Ferien fahren will, hineingezogen.

„Tony & Susan“ nannte Austin Wright seinen Roman. Schon der Titel weist den Weg, der Susan, die Leserin, mit Tony, dem Protagonisten des Manuskripts verbindet. Der in New York geborene Austin Wright gehörte in der englischsprachigen Literatur zu den festen Größen, als er 2003 im Alter von achtzig Jahren starb. Sein Roman erschien 1993 und löste unter seinen Kollegen einen Sturm der Begeisterung aus. Von Saul Bellow über Ian McEwan, Ruth Rendell bis zu Donna Leon verschlug es den Stars der Literaturszene die Sprache. Tatsächlich packt einen beim Lesen schnell das gleiche Fieber wie Susan, die Tonys Schicksal voller dunkler Vorahnungen folgt. Der Hochschullehrer sitzt mit Frau und Tochter im Auto Richtung Maine, wo die Familie ein Sommerhaus beziehen will, als die drei von einem Auto abgedrängt werden. Ein paar Rowdies beginnen einen Streit mit ihnen, es kommt zu Handgreiflichkeiten, Tony wird von Frau und Tochter getrennt und die Männer brausen mit den beiden Frauen auf und davon.

Tony hat sich einschüchtern lassen, er ist ein Mann des Geistes und der Vernunft. Von der Gewaltbereitschaft der Fremden fürchtet er sich, er handelt zu unentschlossen und lässt sich das Wichtigste in seinem Leben wegnehmen. Nun beginnt eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Der Roman wechselt die Perspektiven. Wir erfahren von Susan, dem Scheitern ihrer Ehe mit Edward, den Ereignissen, die sie ihrem zweiten Mann Arnold in die Arme führte, einem Arzt, mit dem sie drei Kinder hat und der gerade eine Affäre mit seiner Assistentin unterhält. Liebe und Sex spielen eine wichtige Rolle im Blick auf die Entwicklung von Susan und Tony. Beide sind sie klug und ängstlich, lassen sich einschüchtern, dominieren und vergessen darüber ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Die Parallelen zwischen beiden bleiben dezent, werden untergründig aber mit aller Konsequenz von Austin Wright gelegt. Er wechselt geschickt zwischen der dramatischen Kriminalgeschichte und der Beziehungsgeschichte von Susan. Eine kühne Konstruktion, die jedoch nie Zweifel aufkommen lässt, weil Wright sein Sujet absolut beherrscht. Ein unglaublich souveräner Erzähler ist hier am Werk. Stets will man wissen, wie sich die Geschichte fortsetzt und die Spannung der Kriminalstory wird zusehends abgelöst von der Dramatik der psychologischen Entwicklung seiner Figuren. Wright erweist sich als Menschenkenner und als brillanter Analytiker der Ehe, wie sie sich in unseren Tagen darstellt. Dass der Roman schon zwanzig Jahre auf dem Buckel hat, wird keine Sekunde spürbar. Im Gegenteil, mit jeder Seite, die man umschlägt, steigt die Freude darüber, dass dieses düstere Juwel nun auch deutschen Lesern zugänglich ist.

Austin Wright: Tony & Susan. Deutsch von Sabine Roth. Luchterhand Literaturverlag, 414 S., 19,99 €

Thomas Linden

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