Er war einer der jüngsten Gefangenen in Guantánamo und mit sieben Jahren Haft zugleich einer der am längsten weggesperrten: Für den Comic „Guantánamo Kid“ hat Mohammed el Gharani, der mit 13 Jahren vom pakistanischen Geheimdienst an die USA verkauft wurde, Jérôme Tubiana seine von Alexandre Franc bebilderte Geschichte erzählt. Der Tonfall schwankt irritierend zwischen Humor, Trotz, Wut und Sachlichkeit. Gharani hat seine Pubertät in Guantánamo mit der Widerständigkeit eines Teenagers verbracht und das System herausgefordert, mit Konsequenzen, die er nach jahrelanger Folter noch heute körperlich zu spüren hat. Der Comic gibt tiefe Einblicke in sein Innerstes (Carlsen).
In „Die Bluse“ begleitet Bastien Vivès eine Studentin, die von ihrer Beziehung gelangweilt ist und sich nicht nur neben ihrem Freund unsichtbar fühlt. Das ändert sich, als ihr jemand nach einem Malheur eine Bluse leiht: Fortan zieht sie die Blicke nur so auf sich, vor allem die der Männer. Damit ändert sich auch ihre Wahrnehmung für sich und ihre Bedürfnisse. Dass der Reifeprozess über die sexuelle Anerkennung durch Männer stattfindet, ist nicht der einzige Haken an der etwas faden Story (Reprodukt).
Dass es in „Sumpfland“ auch um sehr reale Verhältnisse unserer Welt geht, merkt man erst nach und nach. Mokis Zeichenwelt ist auch in ihrem neuen Werk geprägt von Natur und Niedlichkeit, doch die kann ganz schnell von schön in hässlich, von niedlich in grausam oder von fröhlich in traurig umkippen. Und das liegt nicht zuletzt an den nur scheinbar putzigen Figuren der ineinander verwobenen Episoden, die direkt aus Ghibli-Filmen kommen könnten. Paarkonflikte, Kapitalismus und andere Gemeinheiten treffen direkt ins Herz (Reprodukt).
Die Disney-Hommage von Glénat, die auf Deutsch bei Egmont erscheint, geht mit „Horrifikland“ in die achte Runde. Schon zum dritten Mal dabei ist Lewis Trondheim, der Mickey, Donald und Goofy auf ein Detektiv-Abenteuer in einen Grusel-Park schickt, der es in sich hat. Humor und ziemlich wilde Action paaren sich hier sehr gut. Die Zeichnungen von Alexis Nesme („Die Kinder des Kapitän Grant“) sind opulent, fast barock und vielleicht ein wenig zu glatt, fangen aber auch gut die Nachtatmosphäre ein (Egmont).
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