Ganz unspektakulär. Max Regenberg geht auf fotografische Spurensuche in den Städten, in denen er sich längere Zeit aufhält und lebt, und das ist seit langem Köln. Sein Sujet sind die großformatigen Werbetafeln, die frei stehen oder an Fassaden angebracht sind. Er zeigt sie im Kontext ihrer urbanen Umgebung, so dass sie oft selbst in den Hintergrund treten und dadurch überraschende, kuriose weitere Bedeutungen erhalten. Und auch wenn auf seinen Aufnahmen der Mensch fehlt: Meist fotografiert Regenberg dort, wo normalerweise viele Passanten vorbeikommen oder viele Autos fahren – wo die Werbetafeln gesehen werden. Seine Fotografien zeigen das urbane Zentrum, aber auch die Peripherie mit dem Blick auf eine Tankstelle oder ein Industriegelände. Die älteren Fotografien sind in Schwarzweiß aufgenommen, wodurch der Ton des Dokumentarischen gesteigert ist. Die Häuser, Gebäude, Plätze und Straßenfluchten sind bevorzugt auf gleicher Höhe aus überschauendem Abstand fotografiert, weshalb der Asphalt dominiert; nur selten kommen Grünflächen und Gebüsch vor, sind dann aber auch in das städtische Geschehen eingebunden. Überhaupt, was ablenkt, ist die Stadtmöblierung mit ihrem Schilderwald selbst. Und so vertraut die Motive und die Situationen und so „langweilig“ auch die Hausfassaden sind, so viel gibt es doch an architektonischen und städtebaulichen Ordnungen, aber auch Abweichungen und mithin baulichen Katastrophen zu entdecken.
Und dann fällt die Aufmerksamkeit auf die Werbetafeln selbst. Einzelne Plakate sind rein typografisch gestaltet, etwa wenn es um die Bewerbung von Kunstausstellungen geht: ein Indiz übrigens auch, vor über dreißig Jahren, für das Phänomen der (gewinnorientierten) Großausstellung. Zugleich setzen derartige Plakate als eine Kunst für sich Insiderwissen voraus: Immer wieder sind es die unkonventionellen Gedankenblitze der Werbeindustrie, denen sich Regenberg mit seinen Maßnahmen u.a. des Standpunktes, Ausschnittes und Momentes der Aufnahme zuwendet.
Und was „bedeutet“ es, wenn sich ein bestimmtes Plakat an einem bestimmten Ort, über den Köpfen der Passanten, und zwar oft nur für einige Monate befindet? Wie wurde das jeweilige Plakat in seiner Zeit empfunden? Und wie sehr ist es visuelle Umweltverschmutzung oder, umgekehrt, Bereicherung für die urbane Szenerie und wie „typisch“ für seine Zeit? Auch derartige kulturelle und soziologische Fragen lassen sich aus den fotografischen Bildern von Max Regenberg destillieren. Sie zeigen, wie Werbung funktioniert, wie klar sie formuliert sein muss und mit welchen Strategien sie ihr Publikum erreichen will. Dazu entfaltet sie höchste kommerzielle Aktivität im öffentlichen Raum. Weiterhin gehört dazu der kalkulierte Wiedererkennungseffekt mit dem gleichen Motiv an verschiedenen Orten im Stadtraum. In der Ausstellung ist ein fotografischer Block zur Marlboro-Werbung zu sehen, welche in Regenbergs Aufnahmen einmal mehr und einmal weniger dominant in die städtische Szenerie integriert ist. Eine Fotografie fokussiert das Gesicht des Cowboys – sozusagen als Porträt eines Klischees und umgekehrt. Mit dem Bild im Bild nehmen diese Fotografien ohnehin eine kommentierende Funktion ein.
Ein Nebenaspekt ist die Nostalgie. Die ersten Fotos, die Regenberg von Köln zeigt, stammen aus den Jahren 1978 und 1979. Und ebenso wie die Städte hat sich im Laufe der Zeit der „Look“ der Werbung mit ihrer Typografie und ihrem Design geändert. Und manche der beworbenen Produkte gibt es schon lange nicht mehr. Und dann kommt mit einem Mal so etwas wie eine urbane Archäologie ins Spiel, indem wir in Köln die Straßen und Plätze kennen oder wiederzuerkennen meinen. Manchmal sind ja auch Straßenschilder zu lesen. Und wie sehr unterscheiden sich doch die Städte und deren Plakatierungen in Deutschland, Kanada und den USA. Eine tolle Ausstellung!
„Max Regenberg. Urban Decorations – Die dekorierte Stadt“ | bis 16.10. | Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur | 0221 88 89 53 00
Künstlergespräch mit Max Regenberg: Do 22.9. 19 Uhr
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