David Grubbs hat nach wilden Jahren in mehr oder weniger kunstvoll agierenden Hardcorebands wie Squirrel Bait und Bastro in den frühen 90er Jahren Gastr del Sol gegründet. Anfangs mit John McEntire von Tortoise, später mit Jim O‘Rourke hat er Rock- und Popmusik zunehmend in unterschiedliche Richtungen mittels diverser Avantgardepraktiken aufgelöst. Seitdem hat er unzählige Sololaben und Kollaborationen veröffentlicht. Die neueste entstand zusammen mit dem ebenso umtriebigen Gitarristen und Elektroniker Taku Unami und schließt an die Musik von Gastr del Sol an: Ruhige Improvisationen auf der Akustikgitarre werden auf „Failed Celestial Creatures“ von Elektronikflächen umkreist, mitunter gesellt sich Grubbs Gesang zart hinzu (Empty Editions).
Was haben die Techno-Produzenten nur alle mit Orchestermusik?Einer nach dem anderen wechselt in die Philharmonie. Anscheinend ist nicht mal die naheliegendste Referenz – die Minimal Music eines Steve Reich – das unbedingte Ziel, sondern auch der orchestrale Pathos, den man mit einer großen Besetzung erreichen kann. Henrik Schwarz hat für „Scripted Orchestra“ mit dem Metropol Orkestra zusammengearbeitet und wandelt zwischen diesen Polen: Er verbindet minimalistische Strukturen der Clubmusik mit schwelgerischem Orchesterklang, aber auch romantisch angehauchte Klangfarben findet man hier. Für das Album verschmilzt der Technoproduzent computerbasiertes Komponieren und elektronische Sounds mit dem reichen Klangspektrum eines Orchesters (K7). Einen anderen Weg ist der ehemalige Technoporduzent Jimi Tenor gegangen. Über Free- und Fusion-Jazz ist er jetzt bei Soul und Funk gelandet, „Order of Nothingness“ lässt die Freiheiten der Vorgängeralben, den Jazz und den Einfluss afrikanischer Musik deutlich spüren. Retro, keine Frage, aber ein faszinierender und eigenwilliger Kosmos, den er da beackert (Philophon). Der französische Musiker Richard Pinhas hat ab 1974 unter dem Projektnamen Heldon mit zahlreichen Gästen Alben veröffentlicht, die zwischen Elektronik im Sinne von Krautrock und Progressivrock à la King Crimson auf mitunter Schwindel erregende Art vermitteln. Nach den ersten beiden Alben hat das Label bureau b nun auch Nummer drei und vier – das Doppelalbum „It‘s Always Rock ’n’ Roll“ (1975) und „Agneta Nilsson“ (1976) – wiederveröffentlicht.
Wenn Alte über Pop schreiben, dass er früher mal …, aber heute nicht mehr …, dann muss man stets vorsichtig sein. Georg Seeßlen ist allerdings niemand, den man leichtfertig einen boring old fart nennt, der von alten Zeiten schwärmt und die verflachte Gegenwart bejammert. Dennoch fährt sein Buch „Is this the End? – Pop zwischen Befreiung und Unterdrückung“ in diesem Fahrwasser. Tatsächlich ist es ja heute, nach dem Ende der revoltierenden Jugendkulturen, nicht von der Hand zu weisen, dass gebündelte Subversion nicht mehr so einfach auszumachen ist. Es war immer schon ein schmaler Grat zwischen Popkultur und Kulturindustrie, der die Ambivalenz von Pop ausgemacht hat. Seeßlens traditionelle, antikapitalistische linke Position wirkt an manchen Stellen etwas verkürzend auf das Thema, während er auch immer wieder mit interessanten Beobachtungen den Nagel auf den Kopf trifft. Er merkt, was verloren geht, kann dem, was kommt, aber noch nichts abgewinnen. Der Tonfall ist dann doch immer wieder kulturpessimistisch, aber dann kommen am Ende fünf knackige Thesen auf‘s Blatt, die wieder alles gerade rücken mit der Geste des schwungvollen Behauptens – ganz Pop (Edition Tiamat).
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