Gut zwei Jahre liegt das Ende des NATO-Einsatzes in Afghanistan zurück. Die Stimmen, die den Abzug kritisieren, sind zahlreich – vor allem, seit die Taliban faktisch die Herrschaft in dem Land übernommen haben. Eine dieser kritischen Stimmen ist die Journalistin und Ethnologin Shikiba Babori. Selbst in Kabul geboren und mit ihrer Familie Ende der 70er Jahre nach Deutschland gekommen, verfolgt sie seit vielen Jahren die Entwicklungen in ihrem Heimatland – vor allem die Situation der Frauen.
„Ich empfinde die westliche Berichterstattung über Afghanistan oft als sehr ungenügend und tendenziös“, sagt Babori. In den letzten zwanzig Jahren sei der Fokus immer wieder auf die in Wahrheit dürftigen Erfolge in den Großstädten des Landes gerichtet worden, anstatt Missstände in kleineren Städten und abgelegenen Provinzen anzugehen. „Um Frauenrechte zu stärken, müssen wir jedoch genau dort hinschauen“, sagt die Ethnologin. In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Die Afghaninnen – Spielball der Politik“geht es genau darum: Babori hat in weiten Teilen des Landes Gespräche geführt und zeigt so, welche Rolle Frauen in der afghanischen Gesellschaft einnehmen.
Babori schildert Facetten und Hintergründe zu afghanischen Bräuchen und Kultur. Die Weltgemeinschaft müsse diese kennenlernen, bevor sie jemals wieder versuchen sollte, die afghanische Bevölkerung und die Frauen im Interesse der eigenen Politik zu instrumentalisieren. „Uns im Westen muss unsere Verantwortung klar sein“, sagt sie. Dazu gehöre auch, anzuerkennen, dass der Abzug der Militärgruppen falsch gewesen sei. „Bei der militärischen Intervention 2001 wurde dem afghanischen Volk, das jahrelang zwischen den Mühlen von Stellvertreterkriegen zermahlen wurde, eine bessere und eigenständige Zukunft versprochen“, sagt sie. Dieses Versprechen sei mit dem abrupten Abzug nicht eingehalten worden.
Für die Frauen im Land sieht Babori vor allem zwei Möglichkeiten: eine sexuelle Revolution – und mehr Bildung. „Der Hass und die Verachtung gegenüber Frauen müssen dringend bekämpft werden“, sagt sie. „Das Thema Sexualität ist in Afghanistan – wie in vielen islamischen Ländern – extrem tabuisiert. Männer und Frauen werden voneinander getrennt gehalten, aus Angst vor sexuellen Handlungen.“ Die Folge: Frauen werden kategorisch aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.
Shikiba Babori: Die Afghaninnen – Spielball der Politik | Do 21.9. 19 Uhr | Forum VHS im Museum am Neumarkt | www.vhs-koeln.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Stabilisieren des inneren Systems
Volker Buschs Ratgeber zur mentalen Gesundheit – Literatur 05/24
Stadt der Gewalt
„Durch die dunkelste Nacht“ von Hervé Le Corre – Textwelten 05/24
Neuanfang nach Kriegsende
Lesung in der Buchhandlung Bittner
Rückkehr der Totgeglaubten
Matthias Jügler im Literaturhaus
Grenzen überwinden
„Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ von Uticha Marmon – Vorlesung 04/24
Zwangloses Genießen?
Vortrag „Die post-ödipale Gesellschaft“ im Raum für Alle – Spezial 04/24
Erwachsen werden
„Paare: Eine Liebesgeschichte“ von Maggie Millner – Textwelten 04/24
Tradition verbindet
„Shakespeare Festival“ am Globe Theater Neuss
Wortspielspaß und Sprachsensibilität
Rebecca Guggers und Simon Röthlisbergers „Der Wortschatz“ – Vorlesung 03/24
Lebensfreunde wiederfinden
„Ich mach dich froh!“ von Corrinne Averiss und Isabelle Follath – Vorlesung 03/24
Das alles ist uns ganz nah
„Spur und Abweg“ von Kurt Tallert – Textwelten 03/24
Wut ist gut
„Warum ich Feministin bin“ von Chimamanda Ngozi Adichie – Vorlesung 03/24
Von Kant bis in die Unterwelt
Zarte und harte Comicgeschichten – ComicKultur 05/24
Kindheit zwischen Buchseiten
„Die kleinen Bücher der kleinen Brontës“ von Sara O’Leary und Briony May Smith – Vorlesung 05/24
Vom Arbeiterkind zum Autor
Martin Becker liest im Literaturhaus aus „Die Arbeiter“ – Lesung 04/24
Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24
Spurensuche
Comics zwischen Wirklichkeit, Fantasie und Spektakel – ComicKultur 03/24