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Ungewöhnliche, aber überzeugende Form: „Good Talk“
Bild: Mira Jacob, Carlsen Verlag GmbH

Graphic-Collagen

28. Februar 2022

Formexperimente und Alltagsgespräche – Comickultur 03/22

Vor acht Jahren reüssierte Mira Jacob mit ihrem Roman „Die Aufforderung des Schlafwandlers zum Tanz“, der mit dem indischen Migrationsbackground der Protagonistin leicht biografische Züge aufwies. Ihr neues Buch „Good Talk – Erinnerungen in Gesprächen“ (Carlsen) ist nun rein autobiografisch. Es sind vor allem die Gespräche mit ihrem sechsjährigen Sohn, die Jacob in ihrem Buch teilt, aber auch Gespräche mit ihrem jüdischen Mann, dem Dokumentarfilmer Jed Rothstein. Gewählt hat sie für die Erinnerungen aus den Jahren 2014 bis 2017, in deren Hintergrund das Erstarken der neuen Rechten rund um Donald Trump grummelt, die Form des Comic. Zumindest gibt es Sprechblasen und gezeichnete Figuren. Arrangiert sind sie als Collage auf Fotografien. Jacob erzählt von ihrer Familie, dem Aufwachsen in New Mexico, dem Clash der Kulturen, von Alltagsrassismus und den vielen Fragen ihres Sohnes zur Hautfarbe. Ein sehr persönliches, berührendes und zugleich politisches Buch, das mit seiner ungewöhnlichen Umsetzung überzeugt.

Wie aus einer anderen Welt erscheint einem da „Stray Toasters“ (Splitter) von Bill Sienkiewitz. 1988 erschien die Geschichte in vier Bänden. Zuvor hatte sich Sienkiewitz mit Superhelden-Comics verdingt, aber auch – ähnlich wie Dave McKean zu der Zeit – einen ganz eigenen Stil entwickelt. Der ist in „Stray Toasters“ förmlich explodiert: In unzähligen Stilen und Techniken – von der schwarzweißen Bleistiftzeichnung über Kreide bis hin zu Collagen aller Art hüpft die Story um einen Serienmörder und einen psychisch ramponierten Kriminalisten hin und her. Als Leser verliert man mitunter den Überblick, nicht nur weil sich die Form lauthals über die Story schiebt. Aber eine Augenweide ist das allemal. Inzwischen gilt die Geschichte, die erstmals auf Deutsch erscheint, längst als Klassiker.

Und noch ein Klassiker: Neben Robert Crumb hat Gilbert Shelton mit seinen „Freak Brothers“ den gezeichneten Soundtrack zur Gegenkultur seit den 60er-Jahren geliefert. Gerade erschien der zweite und abschließende Sammelband (avant) mit allem, was Shelton so an Freak Brothers-Comics geliefert hat. Surreal, subversiv und superverdrogt machen die drei Freaks ihre Umgebung unsicher. Kleiner Makel: Ein Inhaltsverzeichnis und eine chronologische Sortierung hätten den Überblick erleichtert.

Mira Jacob: Good Talk | Aus dem Englischen von Simoné Lechner | Carlsen Verlag | 368 S. | 26 €

Christian Meyer-Pröpstl

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