Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
21 22 23 24 25 26 27
28 29 30 31 1 2 3

12.606 Beiträge zu
3.829 Filmen im Forum

Giancarlo De Cataldo
Foto: privat

Ironischer Blick auf die Innenwelt der Mafia

23. September 2013

Ein Richter als Autor: „Der König von Rom“ – Krimi 09/13

Giancarlo De Cataldo ist Richter am Berufungsgericht in Rom. Er kennt die Schlichen des organisierten Verbrechens in der Ewigen Stadt, die auf der kriminellen Landkarte Italiens stets eine Sonderstellung einnahm. Eher tumbe Stadthalter der Mafia regierten in der Vergangenheit über das Heer der Kriminellen. Deshalb hatte sich der Drogenhandel auch nicht so professionell betreiben lassen, wie in anderen Regionen des Landes. Cataldo beschreibt in seinem Roman „Der König von Rom“, wie sich dieser Zustand Mitte der siebziger Jahre änderte.

Im Gefängnis begeht der skrupellose Straßenjunge Libanese – ohne es zu wissen – eine gute Tat, für die sich Pasquale 'o Miracolo, der örtliche Boss der Camorra, erkenntlich zeigen will. Er bietet Libanese die Möglichkeit, sich in einen Drogendeal einzukaufen, der mit einer Schiffsladung Heroin verbunden ist. Libanese muss jedoch das Startgeld von 300 Millionen Lire aufbringen und Giancarlo De Cataldo beschreibt das Auf und Ab der kriminellen Geldbeschaffung, in dessen Verlauf wir Einblick in die Unterwelt von Rom erhalten. Die siebziger Jahre sind eine Zeit, in der die junge Generation noch stark politisiert ist, und so begegnet der attraktive und sensibel wirkende Libanese der braunhaarigen Schönheit Giada. Sie stammt aus einer sehr wohlhabenden römischen Familie und übt sich in linker Theorie und Praxis.

Die Liebesgeschichte zwischen den beiden offenbart Cataldos Talente als Erzähler. Libanese ist verrückt nach Giadas schönem Körper, aber nicht so verrückt, dass er seine geschäftlichen Interessen aus den Augen verlieren würde. Ein Zwiespalt, der dem kriminellen Shootingstar unsere Sympathie einbringt. Der Richter Cataldo vermag sich einfühlsam in die Welt eines jungen Kriminellen hineinzuversetzen. Zugleich hält Cataldo trotz seiner lässigen Schreibe immer die Balance und verfällt nicht der Faszination für die großspurigen Allüren der organisierten Gangster. Diese Jungs sind nicht so cool, wie sie selbst glauben, und Cataldo weiß das. Sein Roman liest sich köstlich, weil er stets auf einem Ton feiner Ironie dahinschwebt. Die Kapitel sind kurz und der halbdokumentarische Stil von Cataldo kommt ohne Schnörkel aus. Hier kennt jemand sein Milieu und dessen mörderische Protagonisten, dieser Eindruck verlässt einen beim Lesen an keiner Stelle.

Ein Roman mit Tempo, Humor und einem Blick für die innere Mechanik einer Gesellschaft, in der das Verbrechen seinen unverbrüchlichen Platz einnimmt. Eine Tatsache, die in dem informativen Nachwort Giancarlo De Cataldo und Tobias Gohlis noch einmal deutlich wird, das den Hintergrund der Geschichte und den Aufstieg der Magliano Bande in Rom nachzeichnet und dem geschmackvoll gestalteten Buch den letzten Schliff gibt.

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Neue Kinofilme

The Fantastic Four: First Steps

Lesen Sie dazu auch:

Ein Land zwischen Afrika und Europa
Deon Meyer gibt uns Einblick in die südafrikanische Gesellschaft – Krimi 12/15

Der Kommissar und die schlafenden Schönen
Ein Kriminalroman nicht nur für den Sommer – Krimi 08/15

Wenn die Nylons rascheln
Mit Parker wird der Krimi-Held zum Verbrecher – Krimi 03/15

Erde, Blut, Liebe und Gewalt
Der Waliser Cynan Jones erzählt von einer gnadenlosen Jagd – Krimi 02/15

Die furchterregende Ms. Highsmith
Joan Schenkars Biographie über Patricia Highsmith – Krimi 02/15

Schöne Bilder, knorrige Männer, coole Frauen
James Lee Burke ist der Epiker unter den Krimi-Autoren – Krimi 01/15

Brüste essen
David Cronenberg liefert Splatterfilm als Roman – Krimi 11/14

Der Haushalt des Begehrens
Andrea Camilleris Kriminalroman über eine Provinzschönheit – Krimi 10/14

Verbrechen im Indianerland
Louise Erdrich überzeugt mit Familientragödie – Krimi 08/14

Blutiger Hochzeitstag
Gillian Flynn erzählt „Gone Girl“ aus zwei Perspektiven – Krimi 07/14

Sympathischer Bärbeiß
Friedrich Glausers Kriminalromane in einem Band – Krimi 06/14

Lebenssattes Panorama
Daniel Woodrells großartig erzählte Rekonstruktion einer Tragödie – Krimi 04/14

Literatur.